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Die Blockadebrecher

Die Blockadebrecher

Titel: Die Blockadebrecher
Autoren: Jules Verne
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Kopf bis zu Fuß musterte.
    Der Kleine zögerte ein wenig mit der Antwort, dann sagte er mit fester Stimme:
    »»Herr Kapitän, dürfte ich wohl einige Minuten unter vier Augen mit Ihnen sprechen?«
    Während John Stiggs sich zu dieser Bitte entschloß und sie dem Kapitän vortrug, hatte dieser ihn fortwährend genau beobachtet, das junge, sanfte Gesicht des Lehrlings, seine eigenthümlich sympathische Stimme, die Zartheit seiner Händchen, die sogar unter einer Lage Ruß kenntlich war, seine großen Augen, deren Erregtheit ihren sanften Ausdruck nicht beeinträchtigen konnte, kurz, das ganze Ensemble ließ einen Gedanken in dem Kapitän aufkommen, den er von Minute zu Minute mit größerer Gewißheit verfolgte.

    Als John Stiggs seine Bitte ausgesprochen hatte, schaute Playfair fragend auf Crockston, der als Erwiderung nur mit den Achseln zuckte; dann sah er forschend zu dem Lehrling hinüber, aber dieser konnte den Blick des Kapitäns nicht ertragen, denn er erröthete heftig und schlug die Augen nieder.
    »Kommen Sie,« sagte James Playfair zu ihm.
    John Stiggs folgte seinem hohen Vorgesetzten auf's Hinterdeck, und hier öffnete der Kapitän die Thür zu seiner eigenen Cajüte, stellte sich an den Eingang und sagte mit höflich einladender Handbewegung:
    »Haben Sie die Güte einzutreten, Miß.«
    John Stiggs, der vorher bleich gewesen war vor innerer Erregung, erröthete bei dieser Anrede über und über, und zwei große Thränen rannen aus seinen Augen.
    »Bitte, beruhigen Sie sich, Miß,« sagte jetzt James Playfair mit bei weitem sanfterer Stimme, »und theilen Sie mir gefälligst mit, welchem Umstande ich die Ehre verdanke, Sie an Bord zu haben.«
    Das junge Mädchen zögerte einen Augenblick mit der Antwort, als aber ein gütiger Blick des Skippers ihr neuen Muth eingeflößt hatte, entschloß sie sich zu reden:
    »Herr Kapitän, ich wollte meinen Vater aufsuchen, er ist in Charleston; da aber die Stadt vom Lande her eingeschlossen und von der See aus blokirt ist, war es unmöglich durchzudringen, und ich befand mich nahezu in Verzweiflung. Da erfuhr ich, daß die
Delphin
die Blokade brechen wollte, und bot Alles auf, was in meinen Kräften stand, um mit auf Ihr Schiff zu kommen. Bitte, verzeihen Sie mir, daß ich ohne Ihre Einwilligung gehandelt habe, Herr Kapitän, aber wenn ich Ihnen mein Verlangen offen dargelegt hätte, würden Sie es mir aller Wahrscheinlichkeit nach verweigert haben.«
    »Gewiß würde ich das,« bestätigte rückhaltlos James Playfair.
    »Dann habe ich also doch wohl daran gethan, Sie nicht darum zu bitten,« fügte die junge Dame mit festerer Stimme hinzu.
    Der Kapitän schlug die Arme übereinander und schritt einige Mal in seiner Cajüte auf und ab, dann blieb er stehen und begann von Neuem sein Verhör:
    »Wie ist ihr Name?«
    »Jenny Halliburtt.«
    »Ihr Vater ist, wenn ich aus der Adresse der aufgefangenen Briefe schließen darf, aus Boston?«
    »Demnach befindet sich dieser Mann des Nordens in einer Stadt des Südens, im Kriegsgetümmel der Vereinigten Staaten.«
    »Mein Vater ist gegenwärtig Gefangener, Herr Kapitän; er hielt sich bei den ersten Flintenschüssen des Bürgerkrieges, und als die Unionstruppen von den Conföderirten aus Fort Sumter vertrieben wurden, in Charleston auf. Die Ansichten meines Vaters gaben ihn dem Haß der Sklavenhalter preis, und so wurde er auf Befehl des Generals Beauregard gegen alles Völkerrecht in Charleston eingekerkert. Was mich betrifft, so befand ich mich damals in England bei einer alten Verwandten, die vor Kurzem aber gestorben ist, und so war es jetzt mein sehnlichster Wunsch, mit dem Beistand des treuesten Dieners unserer Familie nach Charleston zu gelangen, um dort die Kerkerhaft mit meinem Vater zu theilen.«
    »Und wer ist Mr. Halliburtt?« fragte James Playfair.
    »Mein Vater ist ein loyaler, braver Journalist,« antwortete Jenny, indem sie ihr Auge stolz erhob, einer der ehrenwerthesten Redacteure der
Tribune
und unerschrockener Vertheidiger der Schwarzen.«
    »Ein Abolitionist also!« rief der Kapitän heftig; »einer von den Männern die unter edelklingendem Vorwande ihr Vaterland mit Ruinen bedeckt und mit Blut gedüngt haben.«
    »Herr Kapitän, Sie beschimpfen meinen Vater!« erwiderte Jenny Halliburtt erbleichend, »vergessen Sie nicht, daß nur ich ihn hier vertheidigen kann.«
    Eine hohe Röthe stieg dem jungen Kapitän in die Wangen, und ein Gefühl der Scham, aber auch des Zornes bemächtigte sich seiner. Vielleicht
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