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Die Blockadebrecher

Die Blockadebrecher

Titel: Die Blockadebrecher
Autoren: Jules Verne
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diesem Befehl sahen die unerschrockensten Matrosen einander an, aber sie zögerten nicht, ihn auszuführen.
    Einige Ballen Baumwolle wurden in den Maschinenraum hinuntergeworfen, einem Fasse Weingeist der Boden ausgeschlagen und dieser Brennstoff dann, nicht ohne Gefahr, in die weißglühenden Feuerschlünde eingeführt. Das Brüllen des Feuers war bereits so stark, daß die Heizer einander nicht mehr verstehen konnten; die Feuerthüren wurden weißglühend; die Kolben flogen auf und nieder wie an einer Locomotive; die Manometer gaben eine fast unglaubliche Spannung an.
    Der Steamer flog über die Wellen dahin; ihre Fugen krachten, ihre Schornsteine spieen Flammenströme empor, die sich mit den Rauchwirbeln vermischten; die
Delphin
wurde von einer rasenden, wahnsinnigen Schnelligkeit fortgerissen, der Raum zwischen ihr und der Fregatte verringerte sich, schwand dann gänzlich, und jetzt ging der Steamer an dem feindlichen Schiff vorbei, sie hatte sie überholt.
    »Gerettet!« jubelte der Kapitän.
    »Gerettet!« frohlockte triumphirend die Mannschaft.
    Schon war der Leuchtthurm von Charleston im Südwesten nicht mehr deutlich sichtbar, der Glanz seines Feuers erbleichte und man fing an zu glauben, daß alle Gefahr überstanden sei, als eine Bombe, die von einem auf hoher See kreuzenden Kanonenboot abgefeuert war, pfeifend durch die Finsterniß dahinfuhr. Man konnte an dem Zünder, der eine Feuerlinie hinter sich zurückließ, ihre Spur verfolgen, und es war dies ein Moment der Angst, der jeder Schilderung spottet, Niemand sprach ein Wort oder ließ einen Ausruf der Furcht oder des Schreckens hören; aber die verstörten Augen hingen mit furchtbarer Erwartung an der von dem Projectil beschriebenen ballistischen Curve. Man konnte nichts thun, um dem Geschoß auszuweichen, und nach Verlauf einer halben Minute fiel es mit entsetzlichem Geräusch auf das Verdeck der
Delphin
nieder.
    Die Seeleute flüchteten in namenlosem Schrecken nach dem Hinterdeck, und Keiner von ihnen wagte, sich der Bombe auch nur einen Schritt zu nähern, während der Zünder mit unheimlichem Knistern weiter brannte.
    Da lief ein einziger Mann muthig auf die furchtbare Zerstörungsmaschine los, nahm die Bombe, die tausend Funken aus ihrem Zünder hervorsprühte, in seine kräftigen Arme und schlenderte sie mit übermenschlicher Anstrengung über Bord. Dieser Mann war Crockston.
    Kaum hatte das Projectil die Oberfläche des Wassers erreicht, als ein entsetzlicher Krach erfolgte.

    »Hurrah! Hurrah!« schrie enthusiastisch die ganze Mannschaft der
Delphin
, Crockston aber stand vergnügt bei Seite und rieb sich die Hände.
    Einige Zeit darauf durchfuhr der Steamer rasch die Wasser des Atlantischen Oceans; die amerikanische Küste verschwand in der Finsterniß, und die Feuer, die sich fern am Horizont kreuzten, verkündeten, daß zwischen den Batterien der Insel Morris und den Forts von Charleston-Harbour ein größerer Angriff stattfand.

Zehntes Capitel.
Saint-Mungo.
    Bei Sonnenaufgang des folgenden Morgens war die amerikanische Küste vollständig verschwunden, nicht ein einziges Schiff zeigte sich am Horizonte, und die
Delphin,
die nach und nach ihre Schnelligkeit mäßigte, fuhr ruhiger auf die Bermudas-Inseln zu.
    Von der Fahrt über den Ocean ist wenig zu berichten, kein Unfall unterbrach ihren regelmäßigen Verlauf, und zehn Tage nach der Abreise von Charleston bekam man die Küste Irlands in Sicht.
    Was sich nun zwischen dem jungen Kapitän und Miß Jenny zutrug, werden selbst die wenigst Scharfsehenden errathen; und wie konnte Mr. Halliburtt sich besser für den aufopfernden Muth seines Retters dankbar beweisen, als dadurch, daß er ihn zum Glücklichsten aller Sterblichen machte? James Playfair hatte nicht abgewartet, bis man sich in englischen Gewässern befand, um dem jungen Mädchen und ihrem Vater von den Gefühlen seines Herzens Kunde zu geben, und wenn man Crockston glauben darf, so nahm Miß Jenny dies Geständniß mit glückseligem Lächeln entgegen.
    So ereignete es sich, daß am 14. Februar des Jahres 1863 eine große Volksmenge unter den kolossalen Gewölben der Kathedrale Saint-Mungo in Glasgow versammelt war. Man sah unter ihnen Seeleute, Geschäftsmänner, Industrielle und Beamte, kurz Mitglieder aller Stände und Professionen.
    Unser alter Crockston mußte heute als Trauzeuge bei Miß Jenny, die im Brautstaat prangte, fungiren. Der brave Amerikaner hatte sich höchst feierlich in einen apfelgrünen Frack mit blanken Knöpfen
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