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Die Blockadebrecher

Die Blockadebrecher

Titel: Die Blockadebrecher
Autoren: Jules Verne
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Ihrer Mannschaft messen soll …«
    »Du gehst ja drauf los!« meinte James Playfair; »wie heißt Du?«
    »Crockston, zu dienen.«
    Der Kapitän trat einige Schritte zurück, um den Herkules, der sich ihm auf so »achtkantige« Weise vorstellte, besser zu mustern. Haltung, Wuchs und matrosenhaftes Ansehen straften seine Ansprüche auf Kraft nicht Lügen; man sah sofort, daß er ungewöhnlich stark und zu Allem entschlossen war.
    »In welchen Meeren bist Du gefahren?« fragte Playfair.
    »So ziemlich überall.«
    »Und Du weißt, was die
Delphin
dort unten zu thun hat?«
    »Darum gerade will ich mit.«
    »Nun, Gott straf' mich, wenn ich mir solchen Kerl entgehen lasse; frage nach dem Obersteuermann, Mr. Mathew, und laß Dich von ihm einschreiben.«
    Nach diesen Worten erwartete James Playfair, daß sein Mann Kehrt machen und sich nach dem Vordertheil des Schiffes begeben würde, aber weit gefehlt, Crockston rührte sich nicht von der Stelle.
    »Nun, hast Du mich verstanden?« fragte der Kapitän.
    »Ja wohl, Herr Kapitän, aber das ist noch nicht Alles; ich wollte Ihnen noch einen Vorschlag machen.«
    »Ach was! ärgere mich nicht, ich habe keine Zeit, mich länger mit Dir aufzuhalten,« rief James ungeduldig.
    »Ich werde Sie nicht weiter aufhalten, Herr Kapitän, ich wollte Ihnen nur sagen – ich habe einen Neffen.«
    »Da hat er einen netten Onkel, das muß wahr sein!«
    »Nun, nun!« begütigte Crockston.
    »Wirst Du bald zu Ende kommen?« fragte der Skipper; er war nachgerade verdrießlich geworden.
    »Ja, Herr Kapitän, die Sache verhält sich so: wenn man den Onkel nimmt, muß man den Neffen auch mitnehmen.«
    »So, wirklich?«
    »Ja, das macht man gewöhnlich so, Einer geht nicht ohne den Andern.«
    »Erkläre Dich deutlicher; wer und was ist Dein Neffe?«
    »Ja, sehen Sie, Herr Kapitän, es ist ein junger Mensch von fünfzehn Jahren, dem ich mein Handwerk beibringe. Er hat recht guten Willen und wird gewiß einmal einen tüchtigen Seemann abgeben.«
    »Potz Tausend, Meister Crockston, Du hältst wohl gar die
Delphin
für eine Schiffsjungenschule?«
    »Verachten Sie nicht die Schiffsjungen, Herr Kapitän, es hat einmal Einen gegeben, aus dem ist der Admiral Nelson geworden, und noch Einen, aus dem wurde der Admiral Franklin.«
    »Potz Blitz! Freund, Du könntest mir gefallen. Bringe Deinen Neffen her, aber wenn sein Onkel solch ein tüchtiger Kerl nicht ist, wie er vorgiebt, wird er's mit mir zu thun bekommen. Mach Dich fort und sei in einer Stunde wieder hier.«
    Crockston ließ sich das nicht zwei Mal sagen, er grüßte ziemlich linkisch und begab sich auf den Kai zurück. Eine Stunde später traf er mit seinem Neffen, einem Bürschchen von vierzehn bis fünfzehn Jahren, wieder ein. Der kleine Kerl sah sehr furchtsam und erstaunt aus und schien eine ziemlich zarte Constitution zu haben, von den körperlichen Eigenschaften seines Onkels hatte er jedenfalls nicht viel geerbt. Crockston mußte ihm sogar schon jetzt Muth einsprechen:
    »Nur immer dreist und munter,« raunte er ihm zu, als sie auf's Verdeck stiegen, es ist immer noch Zeit zum Umkehren.
    »Nein, nein!« rief der Kleine, »Gott bewahre uns davor!«
    Noch an demselben Tage wurden der Matrose Crockston nebst seinem Lehrling John Stiggs in die Bemannungsliste der
Delphin
eingetragen.
    Am folgenden Morgen um fünf Uhr waren die Feuer unter den Kesseln kräftig geschürt, das Verdeck bebte unter den Schwingungen des Kessels, und der Dampf entwich zischend durch die Ventile. Die Stunde der Abfahrt war gekommen.
    Eine Menge Volks drängte sich trotz der frühen Tageszeit auf den Kais und auf der Glasgow-Bridge, um zum letzten Mal den Steamer zu grüßen, und auch Vincent Playfair hatte sich eingefunden, um sich von Kapitän James zu verabschieden und ihn zu umarmen; er benahm sich wie ein alter Römer aus längst vergangener Zeit; seine heroische Fassung verließ ihn keinen Augenblick, und die beiden kräftigen Küsse, die er seinem Neffen rechts und links auf die Wangen applicirte, ließen auf eine große Seele schließen.
    »Reise glücklich, James,« lauteten seine Abschiedsworte, »reise schnell und kehre noch schneller wieder heim. Besonders aber vergiß nicht, die Situation auszunutzen; verkaufe so theuer wie möglich und kaufe billig wieder ein; die Achtung Deines Onkels soll Dir dann gewiß sein.«
    Nach dieser letzten Anempfehlung, die aller Wahrscheinlichkeit nach dem »Handbuch des perfecten Kaufmanns« entlehnt war, trennten sich Neffe und
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