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Die Biene Maja

Die Biene Maja

Titel: Die Biene Maja
Autoren: Waldemar Bonsels
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Weg.«
    Als die kleine Biene vor das Stadttor trat, mußte sie die Augen schließen vor der Fülle von Licht, die ihr entgegenströmte. Es war ein Leuchten von Gold und Grün, so über alles reich und warm und strahlend, daß sie vor Seligkeit nicht wußte, was sie tun oder sagen sollte.
    »Das ist aber wirklich großartig«, sagte sie zu ihrer Begleiterin. »Fliegt man da hinein?!«
    »Nur zu!« sagte die andere.
    Da hob die kleine Maja ihr Köpfchen, bewegte ihre schönen neuen Flügel und empfand plötzlich, daß das Flugbrett, auf dem sie saß, zu versinken schien. Und zugleich war ihr, als glitte das Land unter ihr fort, nach hinten hin fort, und als kämen die großen grünen Kuppeln vor ihr auf sie zu.
    Ihre Augen glänzten, ihr Herz jubelte.
    »Ich fliege,« rief sie, »das kann nur Fliegen sein, was ich tue! Das ist aber in der Tat etwas ganz Ausgezeichnetes.«
    »Ja, du fliegst«, sagte die Honigträgerin, die Mühe hatte, an Majas Seite zu bleiben. »Das sind die Linden, auf die wir zufliegen, unsere Schloßlinden, daran kannst du dir die Lage unserer Stadt merken. Aber du fliegst wirklich sehr schnell, Maja.«
    »Das kann man gar nicht rasch genug«, sagte Maja. »O, wie duftet der Sonnenschein!«
    »Nein,« sagte die Trägerin, die etwas außer Atem war, »das sind die Blüten. Aber nun fliege langsamer, sonst bleibe ich zurück, und du kannst dir auch auf diese Art die Gegend nicht für den Rückweg merken.«
    Aber die kleine Maja hörte nicht. Sie war wie in einem Rausch von Freude, Sonne und Daseinsglück. Ihr war, als glitte sie pfeilgeschwind durch ein grünleuchtendes Meer von Licht, einer immer größeren Herrlichkeit entgegen. Die bunten Blumen schienen sie zu rufen, die stillen beschienenen Fernen lockten sie und der blaue Himmel segnete ihren jauchzenden Jugendflug. So schön wird es nie mehr, wie es heute ist, dachte sie, ich kann nicht umkehren, ich kann an nichts denken, als an die Sonne.
    Unter ihr wechselten die bunten Bilder, langsam und breit zog das friedliche Land im Licht dahin. Die ganze Sonne muß aus Gold sein, dachte die kleine Biene.
    Als sie über einem großen Garten angelangt war, der in lauter blühenden Wolken von Kirschbäumen, Rotdorn und Flieder zu ruhn schien, ließ sie sich zu Tode erschöpft nieder. Sie fiel in ein Beet von roten Tulpen und hielt sich an einer der großen Blüten fest, preßte sich an die Blumenwand, atmete tief und beseligt und sah über den schimmernden Lichträndern der Blume den strahlend blauen Himmel.
    »O, wie tausendmal schöner ist es in der großen Welt draußen,« rief sie, »als in der dunklen Bienenstadt. Niemals werde ich nach dort zurückkehren, um Honig zu tragen oder Wachs zu bereiten. O nein, niemals werde ich das tun. Ich will die blühende Welt sehen und kennenlernen, ich bin nicht, wie die andern Bienen sind, mein Herz ist für Freude und Überraschungen, für Erlebnisse und Abenteuer bestimmt. Ich will keine Gefahren fürchten, habe ich nicht Kraft und Mut und einen Stachel?«
    Sie lachte vor Übermut und Freude und nahm einen tiefen Schluck Honigsaft aus dem Kelch der Tulpe.
    Großartig, dachte sie, es ist wirklich herrlich, zu leben.
    Ach, wenn die kleine Maja geahnt hätte, wie vielerlei an Gefahren und Not ihrer wartete, hätte sie sich sicherlich besonnen. Aber sie ahnte es nicht und blieb bei ihrem Vorsatz. Ihre Müdigkeit überwältigte sie bald, und sie schlief ein. Als sie erwachte, war die Sonne fort, und das Land lag in Dämmerung. Ihr Herz schlug doch ein wenig, und sie verließ zögernd die Blume, die im Begriff war, sich für die Nacht zu schließen. Unter einem großen Blatt, hoch im Wipfel eines alten Baums, versteckte sie sich, und im Einschlafen dachte sie zuversichtlich:
    Ich will nicht gleich am Anfang den Mut verlieren. Die Sonne kommt wieder, das ist bestimmt, Kassandra hat es gesagt, man muß nur fest und ruhig schlafen.

Zweites Kapitel
Peppis Rosenhaus

    Als die kleine Maja erwachte, war es schon hell geworden. Sie fror ein wenig unter ihrem großen grünen Blatt, und die ersten Bewegungen, die sie machte, gelangen ihr nur schwerfällig und langsam. Sie hielt sich an einem Äderchen des Blattes fest und ließ ihre Flügel zittern und flimmern, damit sie geschmeidig und frei von Staub werden möchten. Dann glättete sie ihre blonden Haare und wischte sich die großen Augen blank. Vorsichtig kroch sie etwas weiter, bis an den Rand des Blattes, und schaute sich um.
    Sie war ganz geblendet von der Pracht und
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