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Die Bibel

Die Bibel

Titel: Die Bibel
Autoren: Christian Nürnberger
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Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt das Wasser in den Meeren, und die Vögel sollen sich mehren auf der Erde.
    Als Nächstes sind die Landtiere an der Reihe, und danach ist die Zeit reif für den Höhepunkt, die Krone der Schöpfung:
Wir wollen Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über alle Landtiere und über alle Kriechtiere. So schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde, nach Gottes Bilde schuf er ihn, als einen Mann und ein Weib. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, füllet die Erde und macht sie euch untertan.
    Der sechste Tag der Schöpfung ist damit aber noch nicht beendet. Eine Passage, über die man leicht hinwegliest, handelt davon, dass Gott den Tieren und Menschen sagt, was sie essen sollen:
Hier gebe ich euch alles Kraut.   … Allen Tieren des Landes   … gebe ich alles Grüne des Krautes zur Nahrung
. Es herrscht der paradiesische Zustand: Menschen und Tiere fressen sich noch nicht gegenseitig auf, sondern ernähren sich von Pflanzen. Dies wird sich erst nach der Sintflut ändern. Jetzt aber, am sechsten Tag, ist die Welt noch ein Paradies, und
Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
    Zuletzt kommt jene Errungenschaft, die kein anderer Schöpfungsmythos kennt, der göttliche Ruhetag:
Und Gott vollendete am siebenten Tage sein Werk und ruhte am siebenten Tag und heiligte ihn.
    So also klingt der große Widerspruch eines kleinen Volkes. Schon die Form ist anders: Prosa statt Poesie. Eine schöne, gewiss auch feierliche Prosa, aber alles andere als ein Gedicht oder Gesang. Knapp und nüchtern wird gesagt, was zu sagen ist. Kein kosmisches Drama entfaltet sich, keine Göttersippen trachten einander nach dem Leben.
    Drachen, Halbgötter, Dämonen oder Kopfgeburten müssen nicht mehr die Erzählung in Gang halten. Götter, Sphinxe, Zentauren, Stürme, Donner, Blitz: Das ganze mythologische Personal samt zugehörigem Fundus ist wie altes Gerümpel auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet.
    Fast ist man versucht, sich auszumalen, wie ein paar junge, etwas blasiert aussehende jüdische Intellektuelle im sechsten Jahrhundert vor Christus planen, die Weltgeschichte neu zu schreiben, und dabei Hohn und Spott ausgießen über jene altehrwürdigen Geschichten, die bei den mächtigen alten Völkern ringsum immer wieder feierlich verkündet werden. Die jungen Rebellen müssen gotteslästerliche Reden geführt haben. In heutige Sprache übersetzt waren für sie die alten Mythen nichts weiter als in die Länge gezogene Actionthriller, die durch ihre unaufhörliche Aneinanderreihung von Mord und Totschlag, Katastrophen und Groß-Zaubereien auf Dauer doch etwas ermüden.
    Dagegen setzten sie ihre ganz eigene Version der Schöpfung, und das las sich dann wie das Manifest einer revolutionären Künstlertruppe, die sich vorgenommen hat, ein neues Zeitalter einzuläuten. Geschrieben haben auch sie noch in der Sprache der Mythen. Erzählt aber wird ein Gegenmythos.
    Himmel und Erde, Sonne, Mond und Sterne, Wasser und Meer, die Naturgewalten und die Schicksalsmächte – in den alten Mythen stets heilig und unantastbar, weil identisch mit den jeweiligen Göttern, die eifersüchtig wie Ressortleiter ihr jeweiliges Revier hüten – sind entgöttlicht und entweiht. Die Erde ist die Erde und nicht zugleich auch noch die Göttin Gaia, vor der man sich fürchten muss. Die Sonne ist die Sonne und nicht zugleich auch noch der Sonnengott Re, den man anbeten muss. Die Sterne sind keine Götter, denen man opfern muss, sondern Lampen, die einem gefälligst zu leuchten haben. Himmel und Erde sind für die Menschen da, nicht umgekehrt.
    Eine Revolution hat stattgefunden.
    Aus ist’s mit der Vielgötterei, vorbei die Vermenschelung der Götter, verschwunden die Angst vor göttlicher Willkür. Droben im Himmel ist es übersichtlich geworden. Drunten auf der Erde fällt es jetzt leichter, sich zu orientieren. Die Köpfe werden frei, seit man nicht mehr genötigt ist, die jeweils neuesten Nachrichten über das Beziehungschaos der Götter zu verfolgen und ihnen zu Diensten zu sein.
    Ein neues Zeitalter kann beginnen. Es wird heller sein, verständlicher, humaner, und man wird weniger Angst haben müssen. Der neue Herr im Himmel ist kein Despot mehr, sondern einer, der sich um sein Volk kümmert.
    Und
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