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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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Klingelknopf am Tor, aber es war nichts zu hören. Die Klingel war kaputt. Wir wechselten einen Blick.
    »Sieht nicht so aus, als würde hier noch jemand wohnen«, sagte Mario.
    »Klopfen wir trotzdem mal an die Tür.«
    Wir schoben unter rostigem Stöhnen das kaputte Eisentor auf und betraten den toten Garten. Unsere Schritte knirschten auf trockenem Laub und Zweigen. Die Tür der Villa war verschlossen, die grüne Farbe war rissig und blätterte ab, und das Holz darunter begann zu splittern. Die Klingel war ganz verschwunden, nur ein Loch war geblieben, aus dem ein ausgefranstes Kabel ragte.
    »Signora Rontini?«, rief Mario. »Hallo? Ist jemand zu Hause?«
    Der Wind flüsterte und zischelte um das verlassene Haus. Mario hämmerte an die Tür, und der Lärm hallte ein wenig gedämpft durch die Räume im Inneren. Mit klatschenden Flügelschlägen erhoben sich die Vögel in die Luft, und ihr empörtes Kreischen erinnerte an Fingernägel auf einer Tafel.
    Wir standen im Garten und schauten an dem verlassenen Haus empor. Die Krähen kreisten über uns und krächzten unentwegt. Mario schüttelte den Kopf. »Im Dorf weiß bestimmt jemand, was aus ihr geworden ist.«

    Auf der Piazza erzählte uns ein alter Mann, dass die Bank das Haus endgültig in die Zwangsversteigerung genommen hatte und Signora Rontini jetzt von Sozialhilfe lebte, in einer Sozialwohnung in der Nähe des Sees. Er gab uns die Adresse.
    Mit einem gewissen Grauen suchten wir nach dem Sozialwohnungsbau und fanden ihn hinter der lokalen Casa del Popolo. Er sah völlig anders aus, als sich ein Amerikaner eine solche Unterkunft vorstellt. Das Gebäude wirkte freundlich, war cremeweiß gestrichen, sauber und ordentlich, mit Blumenkästen vor den Fenstern und einer schönen Aussicht auf den See. Wir gingen um das Haus herum und klopften an Signora Rontinis Wohnungstür. Sie öffnete, ließ uns ein und bat uns, in ihrer winzigen Küche Platz zu nehmen. Ihre Wohnung war das Gegenteil des düsteren, höhlenartigen Hauses; sie war hell und freundlich, voller Pflanzen, Krimskrams und Fotos. Die Sonne schien durch die Fenster herein, und in den Platanen vor dem Haus schwirrten und zwitscherten die Vögel. Der Raum roch nach frischer Wäsche und Seife.
    »Nein«, beantwortete sie unsere Frage mit traurigem Lächeln, »ich werde kein Interview mehr geben. Nie wieder.« Sie trug ein leuchtend gelbes Kleid, ihr rot gefärbtes Haar war sorgsam frisiert, ihre Stimme sanft.
    »Wir hoffen immer noch, die Wahrheit herauszufinden«, sagte Mario. »Man kann nie wissen … Sie könnten uns damit helfen.«
    »Das weiß ich. Aber die Wahrheit interessiert mich nicht mehr. Was könnte sie denn noch ändern? Sie würde mir Pia und Claudio nicht zurückbringen. Lange Zeit dachte ich, die Wahrheit zu kennen würde alles irgendwie leichter machen. Mein Mann ist auf der Suche nach der Wahrheit gestorben. Aber jetzt weiß ich, dass sie nichts ändern könnte und mir nicht helfen würde. Ich musste sie loslassen.«
    Sie schwieg, die kleinen, plumpen Hände im Schoß gefaltet, die Beine an den Knöcheln gekreuzt, ein leichtes Lächeln auf dem Gesicht.
    Wir unterhielten uns noch ein wenig, und sie berichtete uns ganz sachlich davon, wie sie das Haus und alles andere verloren hatte. Mario erkundigte sich nach ein paar der Fotos an der Wand. Sie stand auf, nahm eines herunter und reichte es Mario, der es mir weitergab. »Das ist das letzte Foto von Pia«, sagte sie. »Sie hat es ein paar Monate vorher für ihren Führerschein machen lassen.« Sie trat vor ein weiteres Foto. »Das ist Pia mit Claudio.« Auf dem Schwarzweißfoto hatten die beiden einander lächelnd die Arme um die Schultern geschlungen. Sie sahen vollkommen unschuldig und glücklich aus, und Pia reckte der Kamera den Daumen entgegen.
    Signora Rontini ging ans Ende der Wand. »Das ist Pia mit fünfzehn. Sie war ein hübsches Mädchen, nicht?«
    Sie nahm noch ein weiteres Schwarzweißfoto von der Wand, blickte eine Weile darauf hinab und gab es uns dann. Wir ließen es herumgehen. Es war das Porträt eines lebhaften, glücklich aussehenden Mannes im besten Alter.
    Sie hob die Hand, wies auf die Fotos und richtete den Blick ihrer blauen Augen auf mich. »Erst neulich«, sagte sie, »bin ich hier hereingekommen und habe erkannt, dass ich von Toten umgeben bin.« Sie lächelte traurig. »Ich werde diese Fotos abnehmen und wegräumen. Ich will mich nicht mehr mit dem Tod umgeben. Denn ich hatte etwas vergessen – dass ich ja noch
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