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Die Behandlung: Roman (German Edition)

Die Behandlung: Roman (German Edition)

Titel: Die Behandlung: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
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»Entführung«, »Gewalttäter«, »Handschellen« und »Kind« – in der Altersgruppe zwischen fünf und zehn. Er musste nicht besonders scharf nachdenken, was er Kryotos diktierte, sie war ohnehin die vermutlich cleverste Mitarbeiterin in der ganzen Zentrale. Egal, worum es sich handelte, sie bearbeitete sämtliche Informationen, die über ihren Tisch liefen, mit einer Umsicht und Ruhe, um die er sie manchmal beneidete.
    »Und – ist das alles?«
    »Nein, Augenblick noch.« Er dachte kurz nach, klappte das Handbuch zu und legte es wieder auf die Fensterbank. »Warten Sie mal, am besten, Sie nehmen auch den Begriff ›Kinderschänder‹ mit in die Liste auf, okay? Und schauen Sie noch mal in das Pädophilen-Register.«
    »Okay.« Sie verschloss den Stift mit der Kappe, stand auf und nahm die Dose vom Schreibtisch. Dann blieb sie stehen und betrachtete lächelnd seine noch immer etwas derangierte Frisur. Hier und da wurde sie im Kollegenkreis damit aufgezogen, dass ihr Interesse an Jack Caffery, der im Übrigen zwei Jahre jünger war als sie, den Rahmen kollegialer Sympathie weit überschritt. Wann immer das passierte, lief sie rot an und faselte etwas von einer intakten Ehe mit zwei wundervollen Kindern – Dean und Jenna – und dass sie Jack Caffery lediglich kollegial-freundschaftliche Gefühle entgegenbringe und sich ihre Beziehung für immer und ewig darauf beschränken werde. Doch der Einzige, der diesen Behauptungen wirklich Glauben schenkte, war Caffery selbst. »Bananenbrot.« Sie klopfte auf den Deckel der Dose. »Haben Dean und ich zusammen gemacht. Klingt vielleicht bescheuert: Aber getoastet und mit Butter bestrichen schmeckt das Zeug einfach himmlisch, obwohl man sich natürlich nicht selbst loben soll.«
    »Marilyn, vielen Dank, aber …«
    »… Sie besorgen sich natürlich selbst was zum Frühstück. Mein Bananenbrot ist Ihnen natürlich viel zu süüüß .«
    Er lächelte. »Tut mir Leid.«
    »Trotzdem sind Sie sich hoffentlich darüber im Klaren, dass es Leute gibt, die von meinem Bananenbrot gar nicht genug kriegen können?«
    »Marilyn, wie könnte ich daran auch nur eine Sekunde zweifeln?«
    »Warten Sie nur, Jack.« Sie trug die Dose erhobenen Hauptes wie eine Kellnerin auf der Handfläche durch das Zimmer. An der Tür drehte sie sich um und sagte: »Eines Tages krieg ich Sie doch noch rum.«

4. KAPITEL
     
    (18. Juli)
    Mrs. Nersessians Haus mit seinen bleiverglasten Fenstern und dem sorgfältig bemalten Wagenrad an der Frontseite funkelte wie ein polierter Edelstein. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie sämtliche Riegel und Sicherheitsketten der Haustür geöffnet hatte. Plötzlich wurde Caffery bewusst, dass er eine vage Vorstellung von der Person gehabt hatte, bei der Carmel Peach vorläufig untergekommen war, nur dass Bela diesem Bild überhaupt nicht entsprach: Sie war eine kleine rothaarige Frau mit olivfarbenem Teint und langen Ohrringen. Sie trug eine schwarze Rüschenbluse, und an ihrem Hals baumelten mehrere Goldketten. Als Caffery ihr seinen Dienstausweis präsentierte, umfasste sie mit ihren sorgfältig manikürten Fingern sogleich sein Handgelenk und zog ihn ins Haus.
    »Die Ärmste ist gerade im Schlafzimmer und ruht sich ein wenig aus. Bitte, kommen Sie doch herein«, forderte sie ihn auf. »Folgen Sie mir.«
    Auf dem Weg zur Treppe kamen sie an einer Sammlung gerahmter Familienfotos und vier in Perlmutt gefassten Marienbildern vorbei. An der Decke hing ein glitzernder Lüster. Bela Nersessian ging langsam voraus, klammerte sich am Geländer fest und bewegte sich in ihrem engen knielangen Rock ein wenig seitlich vorwärts. Ungefähr nach jeder dritten Stufe hatte sie einen neuen Einfall, blieb stehen und sah ihn an. »Also, ich würde an Ihrer Stelle unbedingt diese Seen im Brockwell Park absuchen lassen.« Oder: »Bevor Sie wieder gehen, sollten wir noch ein kurzes Gebet für den kleinen Rory sprechen, Mr. Caffery. Einverstanden?«
    Oben auf dem Treppenabsatz schaltete Mrs. Nersessian eine kleine Stehlampe an, schüttelte ein gelbes Seidenkissen auf, das auf einem Stuhl lag, nahm vor der Schlafzimmertür Aufstellung, strich sich die Bluse glatt und holte tief Luft.
    Sie klopfte an die Tür. »Hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte, Liebes.« Sie machte die Tür auf und steckte vorsichtig den Kopf in das Zimmer. »Ah, da bist du ja, meine Beste. Hier ist jemand, der mit dir sprechen möchte.« Sie trat einen Schritt von der Tür zurück, stellte sich auf die
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