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Die Begnadigung

Die Begnadigung

Titel: Die Begnadigung
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß in diesen Blättern nicht nur die Tragik der kleinen, armen Ärztin, sondern auch das Schicksal Dr. Hansens enthalten waren. Jeder, der diese Zeilen lesen würde, jeder Schöffe und Richter, dem man den erschütternden Bericht vorlesen würde, mußte aufspringen und Hansen die Hand drücken.
    Und dann kam der kalte Guß des Gutachtens. Ebenso zwingend in der Logik wie unbeweisbar. Die Schreiberin war tot … und was ihre letzte Aussage sein sollte, wurde von einem Psychiater und einem Pathologen zerpflückt, bis nichts mehr übrigblieb als das ergreifende Gestammel eines durch Krebs zerstörten Gehirnes.
    Dr. Barthels schloß das Tagebuch wieder weg in seinen stählernen Panzerschrank, in dem die wertvollen Beweismittel der Anklage aufbewahrt wurden. Dann fuhr er zum Untersuchungsgefängnis.
    Es mußte mit Dr. Hansen sprechen. Es drängte ihn einfach innerlich dazu.
    Sechzehn Wochen saß Hansen jetzt schon in seiner Zelle. Es war ein heller, freundlich eingerichteter Raum, bei dem nur das vergitterte Fenster störte. Er konnte lesen, schreiben, sich selbst ›zusatzverpflegen‹. Er durfte seine Anwälte empfangen, mit Karin und dem fluchenden Franz Wottke sprechen, der alle Juristen beschimpfte und auf dem Gang zum Sprechraum jedesmal mit dem Gefängnisbeamten Krach bekam, als seien sie mitverantwortlich, daß Hansen eingesperrt war.
    Die ›See-Klinik‹ war zusammengebrochen. Das große, weiße Haus stand leer. Gelder kamen nicht mehr herein. Die weggegangenen Patienten hatten wohl noch mehrere Eingaben an die Staatsanwaltschaft eingereicht und um Freilassung ihres Arztes gebeten … aber nachdem die Verwandten sie abgeholt hatten, breitete sich auch hier Schweigen aus.
    Karin hatte ihr mütterliches Erbe auszahlen lassen. Zwar hatte Schwager und Rechtsanwalt Kieling in Hamburg drei Tage lang getobt und versucht, mit Vernunft gegen die Seele einer Frau anzukämpfen. Ein sinnloses Unterfangen.
    »Ihr seid doch geschieden!« hatte er mit hochrotem Kopf geschrien. »Nicht genug, daß du wieder bei ihm lebst … jetzt geht auch das Geld zum Teufel für die Phantastereien dieses Mannes! Man sollte euch Frauen schon bei der Geburt enterben! Glaubst du, er dankt dir das jemals?«
    »Ihr alle kennt Jens nicht.« Karin saß mit gefalteten Händen im Büro ihres Schwagers.
    »Aber du kennst ihn, was? Darum hast du dich ja auch von ihm scheiden lassen! O Himmel – die weibliche Logik grenzt an Irrsinn! Aber gut, wie du willst!« Schwager Kieling hieb mit der Faust auf den Tisch. Er war eine Vollblutnatur und tobte, wenn es ihm ans Herz griff. »Ich gebe das Geld frei! Aber wenn du nachher kommst und klagst …«
    »Ich werde nie mehr über Jens klagen. Er ist jetzt ganz allein, ein armer, verratener Mensch …«
    »Soll ich weinen?« schrie Kieling. »War er nicht allein, als er seine Klinik gründete …?«
    »Da war er allein im Triumph. Das kann man ertragen. Aber allein im Unglück, von allen verlassen und verspottet, angegriffen und verleumdet … wenn ich jemals die Pflicht einer Frau erkannte, so jetzt in diesen Wochen!«
    »Genug! Reibe dich auf für deinen Jens. Er hat dir mit seiner wahnwitzigen Krebsidee nicht nur ein paar Jahre Glück geraubt, er hat auch das Kind …«
    »Bitte sprich nicht mehr davon! Wenn alles überstanden ist, der Prozeß, die Liquidation der Klinik, die Abtragung der Schulden, werden wir von vorn wieder anfangen. Wie damals, als wir in die Heide kamen und die Bauern erst überzeugen mußten, daß der Schäfer nicht alles heilen konnte, und daß hunderttausend Einheiten Penicillin wirksamer sind als das Auflegen von nassen Kräutern. Und wir werden dann auch wieder heiraten …«
    »Da kann man nichts machen!« Rechtsanwalt Dr. Kieling hob die Schultern. »Ein indischer Spruch heißt: Eine liebende Frau ist wie eine Tigerin, ein liebender Mann wie ein Esel! Bei euch ist es genau umgekehrt …«
    Mit dem mütterlichen Erbe wurden die dringendsten Rechnungen bezahlt. Die Lieferanten, die Versicherungen, einige Handwerker. Die Ärzte verzichteten bis zur Klärung der Situation auf ihr Gehalt, die Schwestern, Köchinnen und Pfleger erhielten die Hälfte ihres Lohnes. Wottke lehnte jeden Pfennig ab. Er hatte gespart, und Lisbeth begann wieder zu nähen, Kleider und Kostüme für die Plöner Frauen. Der Garten ernährte die Familie … aus Wottke wurde ein Landwirt, der pflügte, säte, eggte und düngte und der Kohl, Getreide, Gemüse, Kräuter und Beerenobst anbaute.
    »Damit fahr ick
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