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Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)

Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)

Titel: Die Begierde: Fallen Angels 4 (German Edition)
Autoren: J. R. Ward
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hatte.
    So war er eben.
    Er zog sich von der Erde hoch, klemmte den besseren seiner beiden Füße zwischen die Gitterstäbe und schob sich höher. Noch mal. Und noch mal. Die Kante schien kilometerweit weg zu sein, doch die Entfernung brachte ihn nur dazu, sich noch stärker auf sein Ziel zu konzentrieren.
    Es dauerte endlos, doch schließlich umschloss er mit den Fingern einen der Stachel und schlang einen Arm um die gefährliche Spitze.
    Blut floss einen Lidschlag später, als er das Bein hoch über den Zaun schwang, ein Eisendorn in seine Wade stach und einen Fetzen herausriss.
    Aber es gab kein Zurück. Er hatte sich entschieden, und so oder so würde die Schwerkraft gewinnen und ihn auf den Boden ziehen – dann lieber draußen als drinnen.
    Als er in den freien Fall überging, blickte er wieder in die Sterne. Streckte sogar eine Hand nach ihnen aus.
    Dass sie sich trotzdem immer weiter von ihm entfernten, schien nur passend.

Zwei
    Mels Carmichael war allein in der Redaktion. Wieder einmal.
    Neun Uhr abends, und im Bürolabyrinth des Caldwell Courier Journal war keine Menschenseele mehr; die morgige Ausgabe war vom Reporterstandpunkt aus ins Bett gebracht worden, die Drucker erledigten jenseits der dicken Wand hinter Mels ihre Arbeit.
    Als sie sich auf dem Stuhl zurücklehnte, gaben die Gelenke ein Quietschen von sich, und sie machte das Möbelstück zum Instrument, spielte ein lustiges Liedchen darauf, das sie an zu vielen Abenden wie diesem komponiert hatte. Es hieß »Ich komm nicht weiter«, und sie pfiff die Sopranstimme.
    »Immer noch da, Carmichael?«
    Hastig setzte Mels sich gerade hin und verschränkte die Arme vor der Brust. »Hallo, Dick.«
    Ihr Chef lavierte sich in das bisschen Raum hinein, das die Stellwände um ihren Schreibtisch herum ließen, den Mantel über den Arm gelegt, die Krawatte nach einem der üblichen Nachklapps in Charlies Kneipe um den fleischigen Hals ge lockert.
    »Schon wieder Überstunden?« Sein Blick wanderte an den Knöpfen ihrer Bluse hinab, als hoffte er, der Whiskey, den er sich hinter die Binde gekippt hatte, würde ihm telekinetische Kräfte verleihen. »Ich muss dir leider sagen, dass du dafür zu hübsch bist. Hast du keinen Freund?«
    »Du kennst mich doch, für mich zählt nur die Arbeit.«
    »Tja … ich könnte dir etwas geben, woran du arbeiten kannst.«
    Mels sah ihn ruhig und fest an. »Danke, aber ich hab genug zu tun. Ich recherchiere gerade zum Thema sexuelle Belästigung in vorwiegend männlich dominierten Branchen wie im Flugverkehr, im Sport … der Presse.«
    Dick runzelte die Stirn, als hätten seine Ohren auf etwas an deres gehofft. Was total behämmert war. Mels’ Reaktion auf diese Nummer war vom ersten Tag an dieselbe gewesen.
    Seit über zwei Jahren ließ sie ihn abblitzen. Mein Gott, so lange schon?
    »Sehr erhellend, das Ganze.« Mit einem Mausklick verschwand der Bildschirmschoner. »Viele, viele Statistiken. Könnte meine erste überregionale Story werden. Geschlechterverhältnisse im postfeministischen Amerika ist ein heißes Thema – wobei ich es natürlich auch einfach in meinen Blog packen könnte. Vielleicht hättest du einen Kommentar, den ich zitieren darf?«
    Dick legte seinen Mantel über den anderen Arm. »Das hab ich dir nicht zugeteilt.«
    »Ich arbeite sehr selbstständig.«
    Er hob den Kopf, als suchte er jemand anderen zum Belästigen. »Ich lese nur, was ich selbst zugeteilt habe.«
    »Du fändest es vielleicht aufschlussreich.«
    Ihr Boss wollte seine Krawatte lockern, als bekäme er nicht genug Luft, aber Überraschung! Sie war schon lose. »Du vergeudest deine Zeit, Carmichael. Bis morgen.«
    Damit drehte er sich um und schwang sich im Gehen in seinen Trenchcoat mit dem Siebziger-Revers und dem Gürtel, der lose in den Schlaufen baumelte, als hinge ein Teil seines Darms an der falschen Stelle. Wahrscheinlich hatte er das Teil seit der Zeit von Watergate, als Woodward und Bernstein von der Washington Post ihn mit zwanzig zu einer Karriere im Journalis mus inspiriert hatten … was ihn bis in die Kopfzeile des Impressums einer Provinz-Zeitung geführt hatte.
    Kein so übler Job. Aber eben nicht Chefredakteur bei der New York Times oder dem Wall Street Journal .
    Das machte ihm offenbar zu schaffen.
    Also ja, man brauchte kein Genie zu sein, um Dicks Aufdringlichkeit der Langeweile eines ehemaligen Machers zuzuschreiben, der Bitterkeit eines fast Sechzigjährigen mit Halbglatze, auf dessen Lebensweg sich gerade die Straßen
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