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Die Auswahl. Cassia und Ky

Titel: Die Auswahl. Cassia und Ky
Autoren: Ally Condie
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Cassia«, erwidert er.
    Als wir den Airtrain verlassen und auf die Stadthalle zugehen, haken sich meine Eltern rechts und links bei mir unter. Ich
     bin von ihrer Liebe umgeben, wie ich es seit jeher kenne.
    Heute Abend sind wir nur zu dritt. Mein Bruder Bram kann uns nicht begleiten, weil er noch keine siebzehn und damit noch zu jung ist. Ich dagegen kann später an Brams Bankett teilnehmen, weil ich seine ältere Schwester bin. Lächelnd frage ich mich, wie Brams ideale Partnerin wohl sein wird. In sieben Jahren werde ich es herausfinden.
    Aber dies hier ist
mein
Abend.
    ***
    Diejenigen, die heute gepaart werden, sind unter all den anderen leicht zu erkennen. Wir sind nicht nur jünger, sondern wir schweben in wunderschönen Kleidern und schicken Anzügen umher, während unsere Eltern und Geschwister wie üblich Zivil tragen. Sie bilden die Kulisse, vor der wir alle aufblühen. Die Stadtfunktionäre lächeln uns stolz zu, und als wir den Rundbau betreten, klopft mir mein Herz bis zum Hals.
    Neben Xander, der mir zum Abschied zuwinkt, als er quer durch den Saal zu seinem Sitzplatzbereich geht, fällt mir ein Mädchen auf, das ich kenne: Lea. Sie hat die Nummer neunundneunzig ausgesucht, das knallrote Kleid. Es steht ihr gut, denn sie ist so hübsch, dass sie ruhig ein wenig auffallen darf. Aber sie wirkt sehr besorgt und spielt die ganze Zeit mit einem roten Armband, das durchaus ein Artefakt sein kann. Ich bin ein wenig überrascht, Lea hier zu sehen, denn ich hätte sie für einen überzeugten Single gehalten.
    »Seht euch mal dieses Porzellan an!«, staunt mein Vater, als wir unsere Plätze an der Festtafel erreichen. »Es erinnert mich an das Wedgewood-Geschirr, das wir letztes Jahr gefunden haben …«
    Meine Mutter schaut mich an und verdreht ein wenig die Augen. Nicht einmal das Paarungsbankett kann meinen Vater davon abhalten, so etwas zu bemerken. Mein Vater arbeitet oft monatelang in den alten Vierteln, die restauriert und als neue Stadtbezirke für die Allgemeinheit erschlossen werden. Dabei untersucht er die Relikte der Gesellschaft, die vor der unseren existiert hat, und zwar vor noch nicht allzu langer Zeit. Im Moment zum Beispiel arbeitet er an einem besonders interessanten Restaurierungsprojekt, einer alten Bibliothek. Er trennt die Gegenstände, die die Gesellschaft für nützlich erklärt hat, von denen, die es nicht sind.
    Aber dann muss ich lachen, denn meine Mutter kann nicht umhin, eine Bemerkung über die Blumen zu machen. Als Mitarbeiterin des Arboretums gehören sie in
ihr
Ressort. »Oh, Cassia! Schau dir doch mal die Blumen in den Tischgestecken an! Das sind Lilien.« Sie drückt meine Hand.
    »Bitte setzen Sie sich!«, sagt ein Funktionär auf der Bühne. »Das Abendessen wird gleich serviert.«
    Es ist fast schon komisch, wie wir zu unseren Plätzen eilen. Natürlich bewundern wir das Porzellan und die Blumen und sind in erster Linie wegen unserer Partner gekommen, aber nicht zuletzt sind wir auch wegen des Essens hier.
    »Es heißt ja, dass dieses Essen für die jungen Leute eigentlich immer überflüssig ist«, sagt ein nett aussehender Mann, der uns gegenüber am Tisch sitzt, mit einem Lächeln. »Sie sind so aufgeregt, dass sie kaum einen Bissen runterkriegen.« Es scheint wahr zu sein. Ein Mädchen, das in einem rosafarbenen Kleid am anderen Ende der Tafel sitzt, starrt auf ihren Teller, ohne etwas anzurühren.
    Ich habe dieses Problem jedoch nicht. Obwohl ich versuche, es nicht zu übertreiben, probiere ich von allem etwas – gegrilltes Gemüse, herzhaftes Fleisch, knackiger Salat, cremig-würziger Käse und ofenfrisches, noch warmes Brot. Das Essen erscheint mir wie ein Tanz, als ob dies zugleich ein Ball und ein Bankett ist. Die Kellner platzieren die Teller anmutig vor uns; das Essen ist mit Kräutern garniert, ebenso zurechtgemacht wie wir. Als wir die weißen Servietten ausbreiten, das Silberbesteck und die Kristallgläser zur Hand nehmen, setzt die Musik ein.
    Mein Vater lächelt selig, als man ihm zum Nachtisch ein Stück Schokoladenkuchen mit frischer Schlagsahne serviert. »Wundervoll!«, flüstert er, so leise, dass nur meine Mutter und ich ihn verstehen können. Meine Mutter lächelt ihm liebevoll zu, woraufhin er zärtlich ihre Hand nimmt.
    Ich kann seine Begeisterung verstehen, nachdem auch ich ein Stück von dem Kuchen probiert habe. Er ist cremig, aber nicht zu üppig, süß, dunkel und aromatisch – das Beste, was ich seit dem traditionellen Essen zum Winterfest
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