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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte
Autoren: Thomas Knip
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zusammen, doch er unterdrückte seine Bedenken.
    Aus dem Augenwinkel sah er einen Schatten, der sich durch den lichthellen Eingang des Tempels auf sie beide zubewegte. Erst als ihn die Gestalt fast erreicht hatte, erkannte er Nefer, den Hauptmann der Soldaten, die ihn im Dschungel gefunden hatten.
    Es schien fast so, als wusste der Mann in seiner leichten Rüstung bereits über alles Bescheid, was besprochen worden war. Er tauschte nur wenige unwesentliche Worte mit dem Priester aus, verneigte sich dann knapp und wies Talon an, ihm zu folgen.
    „Nefer …“, setzte Talon an, „gehörst auch du zu den Männern, die der Göttin dienen, seitdem die Expedition sie gefunden hat?“
    Falls der Hauptmann überrascht war, Talon nun problemlos verstehen zu können, ließ er es sich nicht anmerken. Ohne sich umzuwenden, antwortete er ihm. „Ja, so wie die wenigen Männer, die mir heute noch zur Verfügung stehen. Sekhmets Blutzoll ist hoch. Doch es ist ein geringer Preis für den Frieden in der Welt.“
    Talon schüttelte innerlich den Kopf. Wütende Göttinnen waren in der Welt da draußen eines der geringsten Probleme, das die Menschen beschäftigte. Doch er legte es nicht darauf an, den Soldat durch eine unbedachte Äußerung unnötig zu verärgern. Nayla stellte eine Gefahr dar. Das war eine Tatsache.
    Sie verließen den Tempel über die weit auslaufende Treppe, an deren unterem Ende sie bereits mehrere bewaffnete Männer erwarteten. Der Mann aus dem Dschungel zählte zwölf von ihnen. Er musste die Augen zusammen kneifen, um sie richtig zu erkennen. Im Vergleich zu der Dämmerung, die im Tempel herrschte, blendete ihn das Licht des frühen Nachmittags.
    Talon sah sich um. Auch jetzt wirkten die Tempelanlage und die sie umgebenden flachen Gebäude nahezu ausgestorben. Kaum ein Mensch hielt sich außer der kleinen Gruppe in der breiten Straße auf, die vom Tempel in gerade Linie zur Felswand führte, die das Tal begrenzte.
    Nefer gab seinen Männern einige kurze Befehle, dann machte sich die Gruppe ohne weitere Vorbereitungen auf den Weg. Talon verspürte in seiner Magengegend ein leichtes Ziehen, doch er glaubte nicht, dass man ihm so bald Gelegenheit geben würde, seinen Hunger zu stillen. Er war sich nicht sicher, was man von ihm genau erwartete, also sprach er den Hauptmann auf seine Aufgabe an.
    „Sekhmet hat dich leben lassen. Zweimal. Offensichtlich spielst du in ihren Plänen eine große Rolle“, kamen die knappen Antworten. „Menasseb geht davon aus, dass du uns helfen kannst, sie zu finden.“
    „Und was glaubst du?“, wollte Talon wissen.
    Nefer sah ihn von der Seite her an. „Du bist schwer zu verstehen. Vielleicht hattest du Glück. Vielleicht bist du etwas tatsächlich ein Auserwählter der Göttin. Ich weiß es nicht.“ Seine rechte Hand legte sich leicht auf den Griff des bronzenen Kurzschwerts an seiner Seite. „Ich werde sehen, was du tust. Und dann entsprechend handeln.“
    Talon verzog die Lippen zu einem leichten Grinsen. Diese offene Drohung sagte ihm tatsächlich mehr zu als die undeutbaren Aussagen, die der Priester im Tempel von sich gegeben hatte.
    Der Trupp passierte nun die letzten kleinen Lehmhäuser und erreichte über den spärlich bewachsenen Boden die schmale Schlucht, die in den Stein geschnitten zurück in den Dschungel führte. Bis auf das dünne Band Sonnenlicht, das durch das obere Ende der Felsen zum Boden durchdrang, umhüllte die Männer augenblicklich eine kaum zu durchdringende Dämmerung. Schemenhaft bewegten sich die Soldaten über den feuchten Stein. Das leise Gurgeln des Baches folgte ihnen mit einer unwirklich scheinenden Lebendigkeit.
    Es dauerte Minuten, bis sich in dem gewundenen Pfad vor den Männern langsam das gegenüberliegende Ende abzeichnete. Leuchtende Grüntöne der umgebenden Bäume legten sich wie ein Vorhang um den Ausgang der Schlucht. Die ersten Ausläufer des Dschungels mochten noch knapp fünfzehn Meter von ihnen entfernt sein, als sich plötzlich ein schlanker Schatten in das Blickfeld der Männer schob.
    Es war eine junge Frau mit dunkler Hautfarbe, kaum älter als siebzehn. Die einfachen Leinentücher hingen zerrissen von ihrem Körper. Das lange, schwarze Haar umgab ihren Kopf wie eine wilde Mähne, zusammen gehalten von den wenigen farbigen Bändern, die die Stirn des Mädchens zierten.
    Erst jetzt erkannte Talon den undeutlichen Schatten, der wie ein Bündel zu Füßen der jungen Frau lag und sich nur schwach bewegte. Selbst im Halbdunkel
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