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Die Auserwaehlte

Die Auserwaehlte

Titel: Die Auserwaehlte
Autoren: Thomas Knip
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konnte er nun Sehmu ausmachen, der sich ihm als Naylas Bruder vorgestellt hatte. Ein schwaches Stöhnen löste sich von dessen Lippen. Im schmalen Grat der Schlucht hallte es als lang gezogenes Echo von den Wänden wider.
    Die Augen des Mädchens leuchteten im Halbdunkel aus einem unwirklichen Licht heraus. Es warf dem Bündel zu seinen Füßen einen geringschätzigen Blick zu und richtete sich dann wieder an die Männer, die nur wenige Schritt vor den beiden zum Stehen gekommen waren. Die Soldaten verharrten, als seien sie versteinert. Nur Nefer warf Talon einen unschlüssigen Blick zu. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass das Mädchen sie direkt konfrontieren würde.
    Der Mann aus dem Dschungel durchbrach die Starre der ihn umgebenden Männer und machte einen Schritt auf Nayla zu. Die junge Frau begegnete ihm mit einem düsteren Lächeln. Ihre Augen verfolgten die Bewegungen des Mannes, der mit nicht mehr als einem Lendenschurz bekleidet war, mit größter Aufmerksamkeit.
    Dann spannte sie ihre schlanke Gestalt an. Zwei Zahnreihen blitzen ihm entgegen, deren helles Weiß durch mehrere rote Schlieren verschmiert war. Eine fast körperlich spürbare Bedrohung ging von dem zarten Körper aus. Talon hatte das Gefühl, als drücke ihn eine Hand langsam aber sich von ihr weg. Es fiel ihm schwer, durchzuatmen.
    Naylas Körper bog sich durch. Binnen Augenblicken veränderte sich ihre gesamte Statur. Sie wurde gedrungener, muskulöser, ohne etwas von ihrer weiblichen Form zu verlieren. Helle Haare überdeckten die dunkle Haut mit jeder verstreichenden Sekunde. Das hübsche Gesicht, das gerade noch vor Müdigkeit und Anspannung erfüllt gewesen war, wich einer von Lebenslust erfüllten Fratze, die entfernt an die Züge einer Löwin erinnerte.
    „Sekhmet …“, murmelte einer der Männer in Talons Rücken unwillkürlich.
    Aus dem Rachen des Wesens drang ein helles, dennoch tiefes Grollen. Ohne einen weiteren Moment abzuwarten, löste es sich aus seiner Haltung und wandte sich dem Dschungel zu.
    Die Augen der jungen Frau richteten sich auf Talon. Ihre Pupillen befanden sich in einem ständigen Wechsel aus einem tiefen Braunton und bernsteinfarbenen Schlieren. Fast schien es ihm, als löse sich ein Grinsen von den Lefzen, auf denen heller Geifer leuchtete. Ihre krallenbewehrte rechte Hand hob sich in die Höhe, so als winke sie Talon auffordernd zu. Noch bevor einer der Männer reagieren konnte, jagte das Wesen davon und verschwand innerhalb von Sekunden im dichten Unterholz der majestätischen Bäume.
    Talon fluchte auf. Er hatte sich vom dem Zauber der Verwandlung gefangen nehmen lassen. Genauso, wie er sich durch den Anblick des Mädchens hatte täuschen lassen. Es spielte ein Spiel mit ihnen, und es wusste, dass es die Kontrolle innehatte.
    Er setzte der schlanken Statur nach, ohne auf Nefer Rücksicht zu nehmen. Im Hintergrund hörte er, wie der Hauptmann seinen Männern verschiedene Befehle zurief und Talon nachbrüllte, doch darum kümmerte sich der hochgewachsene Mann nicht. Noch hatte er Naylas Witterung, und er war nicht bereit, sie zu verlieren.
    Die dünnen Äste des Strauchwerks, das den ockerfarbenen Boden bedeckte, peitschten ihm gegen den Körper. Dumpf hallten seine Schritte über die feuchte Erde, die seine Bewegungen durch den nachgiebigen Untergrund zusätzlich erschwerten. Sein Blick haftete auf dem dunklen Schemen, das weit vor ihm immer wieder zwischen dem Blattwerk aufblitzte, nur um dann wieder in das Meer aus grünen Farbtönen einzutauchen. Doch Talon verließ sich längst nicht mehr auf seine Augen. Er folgte einem Instinkt, der ihn leitete. Der ihm den Weg Naylas wie einen leuchtenden Faden zwischen den Bäumen hindurch wies.
    Weit hinter sich hörte er leise das Scheppern von Metall. Nefer versuchte, ihm mit seinen Männern so gut wie möglich zu folgen. Talon wischte einen Farnwedel beiseite, der sich mit seiner klebrigen Oberfläche zäh auf seine Haut legte. Die Sonne stand inzwischen tiefer und blendete ihn mit Myriaden von tanzenden Lichtern, die zwischen den Blättern hindurch drangen.
    Der Weg des Mädchens führte ihn nach Westen. Langsam fiel der Boden etwas bergab. An manchen Stellen war die Erde in einem weiten Bogen weggebrochen und hinterließ einen mehrere Meter tiefen Abgrund. Stämme, deren Wurzeln nun keinen Halt mehr fanden, ragten schräg in den Himmel, oder wurden nur noch durch die Kronen der umliegenden Bäume getragen.
    Schweiß lief in Bächen über seinen nackten
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