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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen
Autoren: Hooper
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reinsehen, aber sie nicht raus. Also woher soll sie wissen, dass wir hier sind?«
    »Weiß der Geier, woher, aber sie wird es wissen.« Andy beobachtete, wie der andere Mann näher ans Fenster heranging, und verkniff sich einen weiteren Seufzer. Bei jedem anderen wäre er hart geblieben, aber zu John Garrett konnte man nicht so einfach nein sagen. Andy suchte nach einem Argument, das er noch nicht vorgebracht hatte. Doch ehe ihm etwas einfiel, hatte John schon den rechten Knopf gedrückt, und eine leise, merkwürdig angenehme Stimme erreichte sie klar und ohne den hohlen blechernen Beiklang, der so typisch für Sprechanlagen ist.
    »… wie schwer das für Sie ist, Ellen. Wenn ich könnte, würde ich viel lieber warten und Ihnen mehr Zeit geben für die …«
    »Heilung?« Die Frau mit der Sonnenbrille lachte, ein sprödes, freudloses Lachen. »Mein Ehemann schläft im Gästezimmer, Miss Barnes. Mein kleiner Junge hat Angst vor mir. Ich finde mich in meinem eigenen Haus nicht mehr zurecht, ständig werfe ich Möbel um oder laufe gegen die Wand, und meine Schwester muss für meine Familie kochen und mir morgens beim Anziehen helfen.«
    »Ellen, du weißt, ich helfe dir gerne«, beteuerte ihre Schwester. Ihre sanfte Stimme klang halb flehend, halb erschöpft. »Und Owen würde nicht im Gästezimmer schlafen, wenn es nicht dein Wunsch wäre, das weißt du auch.«
    »Ich weiß genau, dass er es nicht ertragen kann, mich zu berühren, Lindsay.« Ellens Stimme klang gepresst, es fehlte nicht viel, und sie hätte schrill geklungen. Ihre Hände lagen fest ineinander verschränkt auf dem Tisch, die langen, blassen Finger gekrümmt. »Aber ich mache ihm keinen Vorwurf. Ich kann es ihm nicht vorwerfen. Wie soll er mich auch anfassen wollen nach …«
    Maggie Barnes legte eine Hand auf Ellens Hände. »Hören Sie, Ellen.« Sie sprach immer noch mit leiser Stimme, doch nun schwang etwas Neues darin mit, ein merkwürdig wohltuender, beinahe hypnotischer Rhythmus. »Was diese Bestie Ihnen angetan hat, kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden, aber Sie dürfen nicht zulassen, dass es sie zerstört. Hören Sie mich? Geben Sie ihm nicht solche Macht über sich. Lassen Sie ihn nicht gewinnen.«
    John lauschte und legte unwillkürlich den Kopf schräg, um sich auf den sonderbar unwiderstehlichen Beiklang in ihrer Stimme zu konzentrieren. Es war beinahe … es war, als würde er den Klang kennen, als wäre es etwas, woran er sich nur undeutlich erinnerte, ein Lied aus Kindertagen oder die letzten schwachen Töne der Musik aus einem Traum, den der Morgen vertrieben hatte. Unvergesslich.
    Ellen zog ihre Hände nicht weg, und ihre steife Haltung schien ein wenig – ein klein wenig – nachgiebiger zu werden. »Ich möchte mich nicht erinnern«, sagte sie leise, beinahe im Flüsterton. »Bitten Sie mich nicht darum.«
    »Ich muss.« Das Bedauern in Maggies Stimme war aufrichtig. »Ich brauche Ihre Erinnerungen, ich brauche jedes Fitzelchen Information, das Sie mir geben können. Ich muss Sie bitten, sich alles ins Gedächtnis zu rufen, was Sie noch wissen, Ellen. Jedes Geräusch, jeden Geruch, jede Berührung.«
    Ellen erschauerte deutlich sichtbar. »Er hat … Ich kann es nicht ertragen, daran zu denken, wie er mich berührt hat. Bitte zwingen Sie mich nicht dazu …«
    »Zwingen Sie sie nicht dazu.« Mit gequältem Gesicht legte Lindsay ihrer Schwester zögernd die Hand auf den Arm.
    »Ich habe keine andere Wahl«, erwiderte Maggie. »Die Polizei kann diese Bestie nicht fangen, wenn sie keine Ahnung hat, wer er ist, wie er aussieht. Wir können nicht einmal andere Frauen warnen, nach wem sie Ausschau halten sollen. Ellen, irgendeine Kleinigkeit, an die Sie sich erinnern, könnte mir helfen, ihm ein Gesicht zu geben. Ich …«
    Urplötzlich wandte sie den Kopf nach hinten. John fuhr tatsächlich überrascht zusammen, so unvermittelt kam die Bewegung – zudem hatte er das beunruhigende Gefühl, dass sie ihm direkt in die Augen sah, trotz des Spionspiegels. Sie hatte sehr helle braune Augen, das einzig ungewöhnliche Merkmal in einem angenehmen, jedoch nichts sagenden Gesicht.
    Und diese hellen Augen sahen ihn nun genau an, da war er sich sicher. Er spürte es.
    Hinter ihm murmelte Andy: »Hab’s Ihnen ja gesagt.«
    John war sich kaum bewusst, dass er laut sprach: »Sie sieht mich. Wie kann sie …«
    »Röntgenblick. Woher zum Teufel soll ich das wissen?« Andy klang so verärgert, wie er war. Er hasste es, wenn Maggie wütend auf ihn
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