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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten
Autoren: Stanislaw Lem
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moorigen Boden versanken. Die Ablagerungen des Torfes, Unterwaschungen der Eismassen, die Schneeschmelzen – alle diese unaufhörlichen Erosionsprozesse verwischten allmählich die letzten Spuren der Katastrophe. Es schien, als sollte das Rätsel für immer in Vergessenheit geraten.

Der Rapport
    Im Jahre 2003 wurde die Sahara schon zum großen Teil durch das Mittelmeer bewässert. Die Hydrokraftwerke von Gibraltar gaben zum erstenmal elektrische Energie an das nordafrikanische Stromnetz ab. Durch keinerlei Grenzziehungen behindert, weiteten sich die kontinentalen Hochspannungsnetze. Atomkraftwerke entstanden, menschenleere, vollautomatische Fabriken. In den fotochemischen Transmutatoren wandelte die Sonnenenergie Kohlensäure und Wasser in Zucker um. Das Geheimnis dieses Prozesses, der seit Milliarden Jahren in den Pflanzen vor sich ging, war Eigentum der Menschen geworden.
    Fast schien es, als ob die Bewässerung der Sahara und die Nutzbarmachung des Mittelmeergefälles in den Turbinen von Gibraltar Unternehmungen wären, die für lange Zeit unübertroffen bleiben würden. Aber bereits ein Jahr später wurden die Arbeiten an einem neuen Projekt begonnen, das in seiner unerhörten Kühnheit sogar das Gibraltar-Nordafrikanische Hydrokombinat in den Schatten stellte.
    Das Internationale Büro für Klimaregulierung ging von den bescheidenen, lokalen Versuchen der Witterungsbeeinflussung, der Lenkung von Regenwolken und Bewegungen von Luftmassen zum Frontalangriff gegen den Hauptfeind der Menschheit über, gegen die Kälte, die sich seit ungezählten Millionen Jahren an den Polkappen des Planeten festgesetzt hatte. Als Hunderte Meter starker Panzer bedeckte das ewige Eis die Arktis – den sechsten Teil der Erde –, umschloß Grönland und den gesamten Archipel des Eismeeres und bildete auch die Quelle der kalten Meeresströmungen, die die nördlichen Ufer Asiens und Amerikas abkühlten. Dieser Eispanzer sollte für immer verschwinden. Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich, riesige Flächen der Ozeane und der Kontinente zu erwärmen und Tausende Kubikkilometer Eis zu schmelzen. So ungeheure Energien hätte man aus dem Uran nie herausholen können; die Grundstoffvorräte waren viel zu gering. Inzwischen aber hatte die Astronomie – die man lange Zeit für eine lebensfremde Wissenschaft hielt – jene Energiequelle entdeckt, die das unverlöschbare Feuer der Gestirneunterhält: die Umwandlung von Wasserstoff in Helium durch Atomspaltung. In der Gesteinsrinde und Atomsphäre der Erde ist freier Wasserstoff kaum vorhanden; aber die Ozeane bilden ein unerschöpfliches Reservoir dieses Elementes.
    Der Gedankengang der Gelehrten war einfach: In Polnähe sollten riesige »Atomfeuer« von Sonnentemperatur Wärme und Licht in der Eiswüste erzeugen. Die Schwierigkeiten, die der Verwirklichung dieses Projektes im Wege standen, schienen anfangs unüberwindlich. Es zeigte sich, daß kein Stoff imstande war, den Temperaturen von einigen Millionen Grad, die bei der Spaltung des Wasserstoffatoms frei werden, zu widerstehen. Dauerhafte Schamotteziegel, gepreßter Asbest, Quarz, Glimmer, edelster Wolframstahl – alles verwandelte sich bei der Berührung mit dem blendendhellen, ungeheure Hitze ausstrahlenden Atomfeuer sofort in Dampf.
    Man besaß wohl eine Energiequelle, die es ermöglichte, die Eismassen zu schmelzen, Ozeane zu erwärmen, ja ganze Meere auszutrocknen, das Klima zu verändern und auf den Polen tropische Dschungel entstehen zu lassen, aber das Baumaterial für entsprechende Verbrennungsherde besaß man nicht.
    Außerdem war man zu der Einsicht gelangt, daß es viel zu gefährlich wäre, derartige Atombrände auf der Erde anzulegen. Die entfesselte Hitze würde die Erdoberfläche zum Schmelzen bringen, sich in die Tiefe fressen und unvorstellbare Katastrophen verursachen. Da aber nichts die Menschheit aufhalten kann, wenn es gilt, das einmal gesteckte Ziel zu erreichen, wurde auch vor dieser Barriere nicht haltgemacht. Wenn es nicht möglich war, die Energiequelle auf die Erde zu bannen, so mußte man sie eben in die Atmosphäre verlegen.
    Die Wissenschaftler beschlossen, künstliche Polarsonnen in Gestalt glühender Gaskugeln von einigen hundert Metern Durchmesser zu schaffen, die durch Wasserstoffgebläse gespeist werden sollten. Energetische Zentralen würden in sicherer Entfernung die gewaltigen elektromagnetischen Kraftfelder erzeugen, um die künstlichen Sonnen in der gewünschten Höhe zu halten.
    Im
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