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Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)

Titel: Die Asozialen: Wie Ober- und Unterschicht unser Land ruinieren - und wer davon profitiert (German Edition)
Autoren: Walter Wüllenweber
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    Es fällt auf, dass beide Wachstumskurven exakt Mitte der 90er Jahre steil nach oben drehten. In dieser Zeit haben Entscheidungen der Politik beide Wirtschaftszweige massiv dereguliert. Aus der Steuerung der Finanzwirtschaft sowie der Sozialwirtschaft hat sich der Staat inzwischen fast vollständig zurückgezogen. Vor diesen Mächten hat er kapituliert.
    Die Bedeutung der Demokratie und ihrer Institutionen wurde herabgestuft und die Mehrheit der Gesellschaft auf eine Rolle reduziert: Sie darf nur zahlen.

TEIL I

1 DIE OBERSCHICHT
    Reichsein reicht den Reichen
    In der Schule immer fleißig. Was Sinnvolles studieren, Jura oder BWL . Promotion. Bei einer Topfirma anheuern. Feierabend ignorieren. Kontakte pflegen. Ideen produzieren und umsetzen. Positiv auffallen. Beförderung. Reservierter Parkplatz in der Firmengarage. Ellenbogen ausfahren. Nächste Beförderung. Gehaltserhöhung. Eisern sparen. Lebensversicherung, Bausparvertrag, Eigentumswohnung, Fondsanteile.
    Reiche wissen: So wird man nie reich.
    Spitzensteuersatz. Porsche. Champagner. Frei stehendes Haus. Golfclub. Swimmingpool. Rolex. Frequent Traveller. Gucci. Kreuzfahrt. Bang und Olufsen. Privatversicherung mit Chefarzt-Privileg. Cohiba. Rotary-Club.
    Reiche wissen: Wahrer Reichtum sieht anders aus.
    Das Bild des Reichtums in Deutschland ist veraltet. Es ist kein digitales Bild, sondern ein verblasster Abzug einer Fotografie, immerhin schon in Farbe. Darauf posieren Frauen mit hochtoupierten Haaren im Pelzmantel neben Männern mit Schlaghosen auf der Gangway einer Linienmaschine. Im Hintergrund sind Propeller zu sehen. Das Bild, das die Vorstellungen dieser Gesellschaft von ihrer Oberschicht noch immer prägt, ist ein Archivbild. Es zeigt die bessere Gesellschaft in den 60er und 70er Jahren. Es war die Zeit, in der es tatsächlich noch möglich war, allein durch Leistung aufzusteigen, sogar nach ganz oben. Damals zeigten Vermögende sich und ihren Reichtum noch öffentlich. Und sie beteiligten sich mit hohen Steuerzahlungen nennenswert an der Finanzierung des Staates. Unternehmensgründer waren noch eine dominierende Gruppe in der Welt der Habenden, Erben eine Minderheit.
    Auch vor 40 oder 50 Jahren machten die Nichtreichen sich klischeehafte Vorstellungen von der Welt des Geldes und vom Ausmaß des Reichtums. Doch damals hatten die Klischees noch einen Bezug zur Realität. Der ist in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr verloren gegangen. Beinahe unbemerkt hat sich eine homogene Oberschicht gebildet und immer weiter von der Mehrheitsgesellschaft entfernt. Man bleibt unter sich. Ihr Reichtum hat neue, nie gekannte Dimensionen erreicht. Ihr Lebensstil ist geprägt von einem neuen Klassenbewusstsein und hat sich vom Rest der Gesellschaft abgekoppelt. Geblieben sind einzig die alten Vorstellungen, die alten Klischees von den Vermögenden. Doch die sind längst nicht mehr aktuell. Das Bild der deutschen Oberschicht muss dringend neu gezeichnet und an die Realität angepasst werden.
    Der ökonomische Lebensstandard hat in den vergangenen Jahrzehnten auch in der Mittel- und der Unterschicht deutlich zugenommen. Tempo 200 auf der Autobahn, Urlaub auf fremden Kontinenten, Kino im Wohnzimmer – solche Erlebnisse waren früher lediglich einer kleinen Minderheit vorbehalten. Heute sind sie für viele erschwinglich. Dass sich inzwischen auch Normalverdiener leisten können, was früher Symbole für unbezahlbaren Luxus waren, verleitet zu dem Irrglauben, es habe ein Annäherung stattgefunden, der Abstand zu denen da oben sei kleiner geworden.
    Weiter kann ein Eindruck die Wahrheit nicht verfehlen. Eine goldene Regel der Bundesrepublik – »Du bist, was du fährst« – hat als Ordnungsprinzip zur Einteilung der Gesellschaft ausgedient. Um den neuen Reichtum und seine Dimension vorstellbar zu machen, brauchen wir einen neuen Maßstab, jenseits von Automarken oder Urlaubszielen.
    Nehmen wir als neues Maß eine DIN-A 4-Seite, hochkant. Im Abstand von einem Zentimeter machen wir Striche. Jeder Strich bedeutet ein Vermögen von 50000 Euro. Bei einer Höhe von 20 Zentimetern erreichen wir die Millionengrenze. Der Seitenrand liegt bei etwa 1,5 Millionen. Würden alle Deutschen bei ihrem persönlichen Vermögensstand auf dieser Seite ein Kreuzchen machen, über die Hälfte müsste auf den unteren Seitenrand kritzeln. Sie haben praktisch gar kein Vermögen. Fast alle, nämlich 99 Prozent, würden mit ihrem Vermögen auf der DIN-A 4-Seite Platz finden. Nur das eine
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