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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Autoren: Volker Kutscher
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dass er so erfolgreich arbeitet. Was meinen Sie, was es gekostet hätte, jemanden dafür zu bezahlen?«
    »Das müssten Sie ja wissen. Für Aßmann haben Sie bezahlt, nicht wahr? Oder hat Lapke die Hälfte der Rechnung übernommen?«
    »Ach, Kommissar, wenn Sie so ein Schlauberger sind, frage ich mich, warum ich dann Ihre Arbeit machen muss?«
    Wengler hob Grigats Dienstpistole und legte auf den bewusstlosen Polakowski an. Rath schloss die Augen.
    »Das können Sie nicht machen! Wengler, das ist kaltblütiger Mord! Dafür bringe ich Sie ins Gefängnis.«
    »Meinen Sie? Meinen Sie tatsächlich, Sie werden das hier überleben?«
    Er richtete die Waffe auf Rath. »Erst werde ich die Polackensau da erschießen, und dann werden Sie dran glauben. Und dann werden wir uns eine schöne Geschichte ausdenken, wie Sie mich retten wollten, dabei aber leider den Heldentod sterben mussten. Der arme Polizeimeister Grigat hat bei diesem Kampf zwar einen Schlag an den Kopf bekommen, wird aber brav bezeugen, dass es genauso gewesen ist. Ein Polizist als Zeuge macht sich immer gut.«
    »Ich warne Sie, Wengler, das können Sie nicht tun! Meine Kollegen sind informiert, die müssten jede Minute hier sein.«
    Wengler lachte. »Das glauben Sie doch selbst nicht. Wie mir Grigat mitteilte, laufen Sie vor Ihren Kollegen und Vorgesetzten in Berlin eher davon, als dass Sie die auf dem Laufenden halten.« Plötzlich erstarb sein Lachen, und er guckte einfach nur kalt und böse über dem Lauf der Pistole. »Und wenn Sie mir noch so ein Märchen erzählen, dann sind Sie der erste Tote hier und nicht unser armer Polack.«
    »Wengler, Sie sind so eine armselige …«
    Kreatur, wollte Rath sagen, doch dazu kam er nicht mehr. Er hörte ein Surren, dann ein Geräusch, als würde man einen Zaunpfahl in einen matschigen Boden rammen, und nur Augenblicke später den Schuss, spürte dann einen brutalen Schlag gegen seine Schulter, der ihn nach hinten riss, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er fand sich auf dem Boden wieder und schaute nach oben. Gustav Wengler stand an derselben Stelle wie zuvor, er hatte sich keinen Millimeter bewegt, die Luger in seiner Hand rauchte. Und dann, noch bevor er das Röcheln hörte, sah Rath, was passiert war: In Wenglers Hals steckte ein langer, dünner Indianerpfeil.
    Der Mann ließ die Pistole ins Gras fallen und griff sich mit beiden Händen an die Gurgel, röchelte verzweifelt, während die Hände vergeblich an dem Schaft zogen, da traf ihn der nächste Pfeil, direkt ins linke Auge. Die Hände froren mitten in der Bewegung ein, ja, der ganze Mann wirkte plötzlich wie schockgefroren, stand da stocksteif und rührte sich nicht mehr, starrte mit starrem Blick hinaus auf den See, auf ein dichtes Gebüsch am anderen Ufer der kleinen Bucht.
    Und dann kippte er langsam um, wie ein Baum, den man gefällt hat und der gerade den letzten Kontakt zu seinen Wurzeln verliert. Er kippte leicht seitwärts ins Wasser und blieb auf dem Rücken liegen. Rath setzte sich auf und spürte erst jetzt, wie sehr seine Schulter schmerzte. Wenglers Körper lag leblos im seichten Uferwasser. Die beiden Pfeile, einer im Hals, einer im linken Auge, ragten in die Luft wie einsame Schilfrohre.
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    U nd wieder saß Rath auf dem grünen Sessel bei Ernst Gennat, diesmal allerdings war die Sache ernster als beim letzten Mal. Diesmal hatte sich niemand einen üblen Scherz erlaubt, diesmal war jemand bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Nicht irgendjemand, ein verdienter Bürger Treuburgs, bei dessen Nachruf Redakteur Ziegler sich selbst übertroffen hatte, ein von nationalem Pathos nur so triefendes Rührstück.
    Am Tage, der sein größter Triumph hätte werden sollen, am Tage, da die nationalen Kräfte in seinem geliebten Treuburg ungeahnten Auftrieb erfuhren, verstarb Gustav Wengler, unser aller Wohltäter, im Kugelhagel der Berliner Polizei.
    Rath kannte solche Vorwürfe. In Köln hatte er sich Ähnliches auch schon anhören müssen und letzten Endes deswegen die Stadt verlassen. Was die in Treuburg über ihn schrieben, konnte ihn nicht jucken, Erich Grigat aber umso mehr, trotz der Gegendarstellung, die das Berliner Polizeipräsidium in der Treuburger Zeitung platziert hatte, um wenigstens die schlimmsten hanebüchenen Verdrehungen des Blattes zu entkräften. Der Polizeimeister war immer noch krankgeschrieben, kurierte seine schwere Kopfverletzung bei Verwandten in Elbing aus und hatte bereits um seine Versetzung nachgesucht. Das war
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