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Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)

Titel: Die Affäre Mollath: Der Mann, der zu viel wusste (German Edition)
Autoren: Uwe Ritzer , Olaf Przybilla
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dem er keinerlei Vertrauen hegte. Der Verteidiger wollte seinerseits nicht mehr mit Mollath, weil er sich genervt und sogar verfolgt fühlt. Beide beantragen beim Gericht die Trennung. Doch der zuständige Richter reagiert nicht und lehnt schließlich nach Monaten lapidar ab. Er presst sie zusammen, obwohl ihr Verhältnis zueinander längst ruiniert ist. Später wertet Brixner sogar eine Aussage des Pflichtverteidigers wie eine Zeugenaussage zuungunsten des Angeklagten Mollath.
    Strate führt in seinem Wiederaufnahmegesuch auch aus seiner Sicht von der Strafprozessordnung geforderte »neue Tatsachen und Beweismittel« an. So seien nach heutigem Kenntnisstand von Sachverständigen und vom Gericht Angaben Mollaths als Ausdruck einer »paranoiden Wahnsymptomatik« gewertet worden, die in Wirklichkeit nichts anderes als »plausible Überlegungen eines normal denkenden Bürgers« gewesen seien, »denen reale Geschehnisse und Anhaltspunkte zugrunde lagen«. Dies gelte sowohl für das von Mollath in seinen Anzeigen und Eingaben an Behörden beschriebene »System der Schwarzgeldverschiebung als auch die von ihm angestellte Verknüpfung bestimmter Personen mit diesem System«.
    Ziemlich genau vier Wochen nach Verteidiger Strate reicht auch die Staatsanwaltschaft Regensburg ihr Wiederaufnahmegesuch bei der 7. Strafkammer des dortigen Landgerichts ein. Es ist in der jüngeren Justizgeschichte ein höchst seltener Fall, dass eine Anklagebehörde verlangt, zugunsten eines Angeklagten einen Fall neu aufzurollen. Die Regensburger Ermittler haben ihr Gesuch gründlich vorbereitet. Sie haben alle neuen Zeugen vernommen, allen voran Edward Braun. Auch der Sohn einer Nürnberger Ärztin wurde vernommen, der bekräftigt, dass er und nicht seine Mutter damals das Attest über Verletzungen von Gustl Mollaths Frau infolge seiner angeblichen Misshandlungen ausgestellt habe. Auch Brixner muss sich äußern. Ihn plagen jedoch gewaltige Erinnerungslücken, was diesen Mollath und den Prozess unter seinem Vorsitz angeht, bei dem angeblich so viel schiefgelaufen sein soll. Auch dass er zwei Jahre vor dem Verfahren bei der Steuerfahndung angerufen haben soll und diese dann Anzeigen Mollaths beiseitegelegt haben soll, auch daran kann sich Brixner nicht mehr erinnern.
    Die Staatsanwaltschaft hat zudem alle relevanten Akten und Dokumente gesichtet und damit erstmals auch den lange Zeit geheim gehaltenen Revisionsbericht der Hypovereinsbank mit einbezogen. Und sie setzt sich mit den Rechtsbruchvorwürfen von Strate in seinem Wiederaufnahmegesuch auseinander.
    Dabei teilt die Staatsanwaltschaft weitgehend dessen Darstellungen in der Sache, was etwa zeitliche Abläufe angeht. Inwieweit die rechtlichen Bewertungen über etwaige Rechtsbrüche durch Richter Brixner und andere massive Verfahrensfehler jedoch begründet seien, müsse erst durch das weitere Verfahren geklärt werden. Das ist nichts anderes als eine elegante Umschiffung der Frage, ob Strate aus Sicht der Staatsanwaltschaft mit seinen Vorwürfen vor allem gegen Brixner nun recht hat oder nicht. Von einer schweren oder vorsätzlichen Rechtsbeugung durch den pensionierten Richter geht die Staatsanwaltschaft allerdings nicht aus. Zumindest nicht, was das Mollath verweigerte rechtliche Gehör zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen angeht. Brixner habe angesichts der langen Verfahrensdauer und der langen Zeit, welche die Übergabe des Verfahrens vom Amts- auf das Landgericht gedauert habe, davon ausgehen können, dass Mollath bereits hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden sei.
    Anders als Strate stützt die Staatsanwaltschaft ihr Wiederaufnahmegesuch auf neue Tatsachen, Zeugen, Beweismittel – und ein gefälschtes Dokument. Auf dessen Spur brachten die Ermittler Medienberichte. Darin hieß es, dass das ominöse Attest vom 3. Juni 2002, in dem die Verletzungen bei der damaligen Frau Mollath infolge der angeblichen Misshandlungen durch ihren Ehemann Gustl aufgelistet wurden, definitiv nicht von der Nürnberger Ärztin stamme, mit deren Namen es unterzeichnet sei. Sondern dass ihr Sohn es ausgestellt hat, der damals noch Weiterbildungsassistent war. Er habe dies gegenüber den Ermittlern inzwischen auch zugegeben. Damit sei es »unecht«, wie die Juristen es nennen. Laut Strafprozessordnung ist es jedoch ein Wiederaufnahmegrund, wenn ein falsches Dokument zu Lasten eines Angeklagten vor Gericht verwendet und bewertet wurde. Das sei im Fall Gustl Mollath mit dem ominösen Attest der Fall
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