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Die Abenteuer des Tom Bombadil

Die Abenteuer des Tom Bombadil

Titel: Die Abenteuer des Tom Bombadil
Autoren: J.R.R. Tolkien
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Muschel schlug
    mir wie einst entgegen tönenderweise.
    Den Klang wird mein Ohr nie wieder vernehmen.
    Mein Fuß wird nie wieder das Land betreten.
    Zu allen Stunden, frühen und späten,
    Wandre ich blindlings einher wie ein Schemen.
    Wohl seh ich Menschen vorübereilen,
    spricht mich doch keiner jemals an,
    scheut mich ein jeder, ich scheue jeden,
    kann nur mehr mit mir selber reden.
    Aussätzig bin ich, ein Bettelmann.

 
    Firiel stand am Fenster um drei
    und sah die Nacht entschwinden.
    Fernher gellte ein Hahnenschrei,
    den Morgen anzukünden.
    Dunkel die Bäume, der Himmel blaß,
    Vögel zirpten leise,
    Frühwind lief durch das feuchte Gras
    auf seiner ersten Reise.
     
    Sie sah, wie das Licht allmählich wuchs,
    um endlich siegreich zu strahlen,
    der Tau selbst spiegelte es flugs
    und schimmerte opalen.
    Bloßfüßig lief sie über den Flur
    und tanzte die Treppe hinunter,
    ihr leichter Schritt ließ keine Spur,
    die Wiese blühte nur bunter.
     
    Wie Schmuck hing Tau am Kleidersaum
    nach solchem Wiesengange.
    Sie lehnte sich an den Weidenbaum
    am Strom und sah ihm lange
    aufmerksam nach, der gemächlich floß.
    Eisvogel stürzte nieder,
    ein Blitz, ein Stein, ein Wurfgeschoß.
    Blau leuchtete sein Gefieder.
     
    Da schlug ihr plötzlich Musik ans Ohr,
    wie sie tief atmend dastand.
    Gelösten Haares sah sie empor
    und weiter über den Sandstrand.
    Barke glitt, goldgeschnäbelt und weiß
    mitten im Strome vorüber.
    Ihr gaben Schwäne stolzes Geleit.
    Staunend sah Firiel hinüber.
     
    Als Ruderknechte im grauen Gewand
    saßen Eiben darinnen.
    Drei aber schienen von hohem Stand –
    Könige, Königinnen?
    Kronen trugen sie auf dem Haar.
    Helle Lieder erklangen,
    elbische Lieder, rein und klar,
    die ihr zu Herzen drangen.
     
    Harfen im Arme sangen sie
    zum Takt des Ruderschlages:
    »Es grünt die Welt so schön wie nie
    im vollen Glanz des Tages!
    Vögel singen, als gab's nicht Nacht,
    Knospen werden noch springen,
    Ernten werden noch eingebracht,
    ehe die Lieder verklingen!«
     
    »So sagt mir doch, wohin's Euch zieht,
    holdselige Fahrensleute!
    Nimmt Euch der Strom in die Fremde mit?
    Verlaßt Ihr uns, hier und heute?
    Sucht Ihr wohl Unterschlupf und Versteck
    in Grotten an steinigen Küsten?
    Oder zieht Ihr noch weiter weg
    in entlegene öde Wüsten?«
     
    »Nein«, riefen sie sanft, »nur weit, weit fort
    wird uns die Barke tragen
    vom letzten Westlichen Grauen Port.
    Wir müssen den Aufbruch wagen
    durch Schatten und unbekannte Gefahr
    zur Heimat: Dort wartet der Weiße,
    der Weiße Baum, wie es früher war.
    Dies ist unsre letzte Reise!
     
    >Nehmt Abschied von der Irdischen Flur,
    vom vergänglichen Menschenheute!<
    So mahnt uns die Glocke vom Hohen Turm
    mit ihrem klaren Geläute.
    >Hier welkt das Gras, das Laub vergilbt,
     Sonne und Mond verwitternd
    Wir hörten den Ruf, ihm folgen wir
    ohne Zagen und Zittern.«
     
    Sie zogen die Ruder langsam ein
    und wendeten zur Seite.
    »Höre! Dich Irdische laden wir ein!«
    scholl's über des Stromes Breite:
    »Wir haben einen Platz noch frei
    für Firiel, die Elbengleiche.
    Wir rufen dich - willkommen sei,
    willkommen im Eibenreiche!«
     
    Firiel stand am Uferrand
    und zögerte, eh sie's wagte,
    tat einen Schritt, und ihr Fuß versank
    im Schlick . . . Und sie verzagte.
    Die Barke glitt an ihr vorbei –
    verloren, ach, verloren!
    Die Eiben hörten ihren Schrei:
    »Ich kann nicht - bin erdgeboren!«
     
    Nichts zierte ihren Kleidersaum,
    als sie die Wiese querte.
    Windschiefes Dach und dunkler Raum
    grüßten die Heimgekehrte.
    Sie strich sich Rock und Ärmel glatt,
    schnürte das braune Mieder,
    Ging an die Arbeit. Wolkensatt
    verkroch sich die Sonne wieder.
     
    Jahr um Jahr treibt so dahin
    mit den Sieben Flüssen,
    Sonne strahlt und Wolken ziehn,
    Regen fällt in Güssen.
    Aber niemals, niemals mehr
    kommt ein Schiff gezogen.
    Alle Wasser bleiben leer,
    stumm die grauen Wogen.
     
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