Die 39 Zeichen 08 - Die Entführung am Himalaya
einsammelte, würde Dan das Weite suchen.
Als er hörte, dass sich jemand am Schloss zu schaffen machte, bereitete er sich darauf vor, zuzustoßen. Die Tür öffnete sich. Dan zog sein Bein an, holte Schwung und – es war niemand da, den er hätte treten können. Stattdessen blickte er ins Innere eines Kleintransporters. Plötzlich neigte sich die Sänfte und er wurde in dessen Laderaum gekippt. Die Türen des Transporters wurden geschlossen und das Fahrzeug fuhr mit quietschenden Reifen los.
Wutentbrannt ließ sich Dan auf die Knie nieder und kroch zu einem kleinen Sichtfenster bei der Fahrerkabine, um einen kurzen Blick auf seine Entführer zu erhaschen.
»Bist du das, oder ist die Luftverschmutzung in Peking wirklich so grässlich, wie es immer heißt?«, fragte Natalie Kabra schnuppernd.
Dan sog erschrocken die Luft ein. Natalies olivfarbene Haut war dunkler als die ihrer Mutter, doch die beiden hatten die gleichen scharf geschnittenen Gesichtszüge. Beides klassische Schönheiten, hinter denen sich mitleidlose stechende Augen verbargen. Im Fall Isabels die Augen einer Mörderin.
Natalie und ihr älterer Bruder Ian starrten Dan durch den Rückspiegel verächtlich an. Dan sah sich ängstlich um – wenigstens war Isabel nicht im Fahrzeug. Dennoch saß auf einem Notsitz hinten bei Dan noch eine weitere Person. Es handelte sich um einen Riesenkerl, offenbar einen Schläger, den die Kabras angeheuert hatten.
Dan würde seinen Verwandten aus dem Familienzweig der Lucians aber nicht den Gefallen tun, herumzujammern.
»Keine Limousine heute?«, spottete er. »Ihr habt in Afrika wohl eure Kreditkarten überzogen?«
»Halten Sie an«, sagte Ian zum Fahrer.
Der Mann stieg in die Eisen und der Lastwagen kam so abrupt zum Stehen, dass Dan durch den gesamten Laderaum geschleudert wurde. Er rappelte sich verblüfft und mit einer dicken Lippe auf.
»Also hatte Alistair recht«, stöhnte Dan. »Ihr seid tatsächlich schon hier.«
»Wir sind überall«, schnaubte Natalie. »Und sei dir sicher, dass wir euch beiden armen Schluckern und eurem durchgeknallten Babysitter immer mehrere Schritte voraus sind.«
»Au-pair«, korrigierte Dan sie automatisch.
»Ja, wir sind in China«, sagte Ian ungeduldig. »Und ihr auch. Dann hätten wir das ja nun geklärt, aber jetzt erzähl mir lieber, was ihr in dem Tempel in der Verbotenen Stadt zu suchen hattet.«
»Keine Ahnung, was du meinst«, murmelte Dan stur.
Ian nickte zustimmend. »Ich dachte mir schon, dass deine Antwort so lauten würde. Mr Chen wird dir helfen, dich zu erinnern.«
Mit einem breiten Lächeln packte der Schlägertyp Dan am Kragen.
»Na gut, na gut!«, rief Dan. Warum sollte er sich verprügeln lassen? Amy hatte das Seidentuch, also war es vor diesen Geiern sicher. Außerdem war Dan aus dem Rennen. Es war ihm völlig schnuppe, ob er in seinem Leben auch nur ein weiteres Zeichen zu Gesicht bekäme. »Ja, ich bin in den Tempel eingebrochen, weil da ein Janus-Wappen an der Außenwand war.«
»Und was hast du gefunden?« Natalies Stimme hatte einen sanften Klang, ihr Lächeln dagegen war skrupellos.
»Grillen«, erwiderte Dan. »Ich schätze, es waren 40 Milliarden. Ekelhafte Viecher, genau wie ihr beiden.«
»Noch was?«, fragte Ian und gab Mr Chen ein Zeichen.
Der Schläger drehte Dan den Arm auf den Rücken. Der Schmerz war mit nichts zu vergleichen, was Dan bis dahin erlebt hatte. Es war eine qualvolle Empfindung, die nur noch Raum für einen einzigen Gedanken ließ: Lass es endlich aufhören.
Trotzdem behielt er den Hinweis für sich. Wenn sie das mit dem Seidentuch erfahren, führt sie das zu Amy …
Bei aller Wut, die er momentan für seine Schwester empfand, konnte er ihr das nicht antun.
»Sag uns die Wahrheit!«, befahl Ian, der nun aber schon leicht verunsichert wirkte.
»Immer mit der Ruhe«, beschwichtigte Natalie ihren Bruder. »Gegen Mr Chens eingebauten Lügendetektor kommt niemand an.«
»Was weißt du über die Holts?«, wollte Ian wissen.
Dan fiel es nicht weiter schwer, ihm zu antworten. »Alistair hat einen Riesenschiss vor ihnen. Er sagt, sie hätten eine Spur gefunden, die wir anderen alle nicht haben.«
»Was für eine Spur?« Ian explodierte fast.
Seine Schwester war geduldiger. »Wenn er das wüsste, dann wäre es ja keine Spur, die keiner von uns sonst hat.«
»Fantastisch«, murmelte Ian. »Wenn wir gegen diese Gorillas verlieren, dann ist alles aus! Kannst du dir eine Welt vorstellen, in der die das Sagen
Weitere Kostenlose Bücher