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Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)

Titel: Die 33 tollsten Ängste ...: ... und wie man sie bekommt (German Edition)
Autoren: Lutz von Rosenberg Lipinsky
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die gesuchte Person überhaupt befindet. An der fälschlich so genannten »Information« wird dem Besucher nämlich mitgeteilt, eine Person des genannten Namens sei hier überhaupt nicht eingeliefert worden. Auf diese Weise soll der Gast bereits auf das Gefühl vorbereitet werden, seinen geschätzten Freund oder geliebten Angehörigen gänzlich zu verlieren. Momentan hält er ihn allerdings schlicht für im Krankenhaus verschollen und insistiert. Logischerweise möchte man sicherstellen, dass der Gesuchte sich nicht längst auf dem Seeweg nach Guatemala befindet, wohin er vom Oberarzt zur Durchführung medizinischer Experimente verkauft wurde.
    Nach einer dreiviertelstündigen Zeremonie stellt sich dann heraus, dass die gesuchte Person unter einem anderen Namen, mit einer anderen Krankheit oder einer falschen Krankenkasse verbucht worden ist. Das ist sehr vertrauenerweckend. Der Besucher wird dann zu einer Station geschickt, auf der er angeblich fündig werden soll. Allerdings noch mit den geraunten Worten, man solle dort noch einmal nachfragen, man könne »von hier unten« leider nicht feststellen, auf welchem Zimmer sich Freund oder Verwandter »genau« befinde.
    Die Aufzugfahrt zur Station gehört ebenfalls zu den phobischen Höhepunkten eines Krankenhausaufenthaltes – insbesondere die in die Abteilung »Innere Medizin«. Dort ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, im Lift auf Übergewichtige zu treffen oder auf Menschen mit Stoffwechselstörungen. Dadurch werden Ihre Sinne während der Fahrt einer weiteren Belastungsprobe ausgesetzt (siehe: Angst vor dem Fahrstuhl) .
    Wenn man die Station betritt, wird man zumeist gewahr, wie ein leblos wirkender Körper auf dem Flur von einem Bett ins andere gehoben wird. Dies geschieht meist unter dem lauten Scherzen der patenten Stationsschwester. Sie ist daran zu erkennen, dass sie extrem korpulent und immer fröhlich ist und Erika oder Heike heißt. Sie kann dir mit ein wenig Glück auch helfen, das Zimmer der gesuchten Person zu finden. Die sich aber in der Regel nicht dort aufhält, sondern gerade bei einer Untersuchung ist. Oder zum Rauchen vor der Tür.
    Im Zimmer befindet sich dagegen ein angeschossener russischer Hehler mit seinen vier besten Freunden. Oder eine mehrfache türkische Großmutter mit ihren zwölf neugeborenen Enkeln und deren Eltern und Geschwistern. Einen Arzt wirst du dagegen in diesem Zimmer nie antreffen – vermutlich aufgrund einer latenten Fremdenfeindlichkeit. Oder ist es allgemeine Misanthropie? Wahrscheinlich. Denn es handelt sich dabei um eines der großen Mysterien unseres Gesundheitssystems: Ein Krankenhaus wimmelt eigentlich von Medizinern. Allerdings trifft man nie einen. Es gelingt nur den wenigsten Patienten oder Angehörigen, ein persönliches Gespräch mit einem echten Arzt zu führen. Diagnosen werden heute meist zentral vom Rechenzentrum gestellt und per Mail in das sogenannte Sprechzimmer geschickt, wo sie sich der Patient wahlweise ausdrucken oder sich von einem Praktikanten vorlesen lassen kann.
    In analogen Krankenhäusern (Bremen, Regensburg etc.) erfolgt die Information des Patienten per Zuruf durch die halbgeöffnete Tür. Der Kranke erahnt einen auf dem Flur vorbeihuschenden Kittel, kann sich aber nie wirklich sicher sein: War es der Arzt? Die Putzfrau? Der Stationsclown? Und was genau bedeutet das gezischte Wort »Mortalität«? Damit wird dem Erkrankten die Flüchtigkeit nicht nur der Ärzte, sondern auch seiner eigenen Existenz verdeutlicht. Und seine eigene Irrelevanz – denn Mediziner haben offenbar Wichtigeres zu tun, als sich um Erkrankte zu kümmern. Von deren Angehörigen ganz zu schweigen.
    Sollte es dennoch zu einer Begegnung mit einem echten Doktor kommen, dauert diese maximal fünfzehn Sekunden und findet auf dem Flur statt. Dort werden dann neben Kaffeemaschine und Putzfeudel lauthals Verwandtengespräche geführt. Was zu einem enormen emotionalen Zusammenhalt aller Kranken und Angehörigen führt, da alle mithören können, welche Art von Tumor sich an welcher Körperstelle welches Patienten befindet und welche Operation wann von wem empfohlen wird. Besonders mitreißend ist das bei Erkrankungen des Genitalbereichs oder des Darmtrakts.
    Wenn sich die Familie allerdings unkooperativ zeigt und die Erörterung dieser Fragen nicht solidarisch mit allen anderen Menschen auf der Station teilen möchte, wird sie zur Besprechung in ein Arztzimmer gebeten, in dem sie während der Erörterung des väterlichen
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