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Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen

Titel: Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen
Autoren: Thilo Sarrazin
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allerdings schon.
    In den beiden folgenden Szenarien habe ich meiner Fantasie freien Lauf gelassen. Sie sind zugespitzt, sie sind Satire, aber sie sind nicht irreal. Sie beschreiben zwei von den vielen denkbaren Entwicklungspfaden für Deutschland. Alle Elemente, die in ihnen vorkommen, sind in der Gegenwart angelegt.

Ein Alptraum...
    Im Deutschland des Jahres 2017 war die Politik eigentlich ganz zufrieden mit sich selbst. Die Folgen der Weltrezession, die 2008 mit der Lehman-Pleite begonnen hatte, waren überwunden. Das Produktionsniveau des Jahres 2008 war 2013 wieder erreicht worden, die Wirtschaft wuchs zwar nur langsam, aber sie wuchs immerhin.

    Seit Herbst 2017 führte Angela Merkel eine schwarz-grüne Bundesregierung. Das Kapitel zu Migration und Integration in der Koalitionsvereinbarung war besonders lang. Es wurde bekräftigt, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei; der wachsende Einfluss fremder Kulturen sei für das Land eine Bereicherung. Allen Migranten wurde das kommunale Wahlrecht mit der Aufenthaltsgenehmigung zugesprochen. Die Koalitionsvereinbarung kündigte eine Gesetzesinitiative an, mit der die Unterstützung von Xenophobie und Islamophobie unter Strafe gestellt werden sollte. Jürgen Trittin hatte im Wahlkampf für Wirbel gesorgt mit seiner Aussage: »50 Prozent Araber sind mir lieber als fünf Prozent Rechtsradikale.« Familiennachzug sollte erleichtert werden.
    Gegen heftigen Widerstand der Union waren die Deutschkurse als Voraussetzung für die Einreise von Familienangehörigen abgeschafft worden. In den Koalitionsverhandlungen hatten die Grünen ein wissenschaftliches Gutachten von Professor Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum an der Universität Potsdam vorgelegt. Darin wurde wissenschaftlich belegt, dass es Ausdruck einer latent faschistoiden Gesinnung mit rassistischen Anklängen sei, wenn Deutsche einen Vorrang der deutschen Sprache forderten. Migranten zum Erlernen der deutschen Sprache - über deren natürliches Wollen hinaus - zu zwingen und davon gar die Einreise oder die Aufenthaltsgenehmigung abhängig zu machen, künde von einem deutschen Überlegenheitswahn, der schon einmal die Welt fast in den Untergang getrieben habe. Diese Vergangenheit unterscheide Deutschland eben von Frankreich und Holland, wo die sprachlichen Voraussetzungen für Migranten wesentlich verschärft worden waren.
    Die neue Ministerin für Familie und Migration - eine junge Frau vom linken Flügel der nordrhein-westfälischen CDU - machte deutlich, dass Familienpolitik nicht als Bevölkerungspolitik missverstanden werden dürfe - im Gegenteil: Unter den Aspekten der weltweiten Überbevölkerung, des Umweltschutzes wie auch der fragwürdigen deutschen Vergangenheit leiste Deutschland mit seinen niedrigen Geburtenraten eigentlich einen positiven Beitrag zur Zukunft der Menschheit. Fallende Bevölkerungszahlen schafften
nämlich Platz, und damit leiste Deutschland einen Beitrag zur Linderung der Not in der Welt. Wenn die Deutschen demnächst weniger Ingenieure hervorbrächte, sei das auch nicht weiter schlimm, denn Indien und China hätten ja genug davon.
    Im Jahr 2020 hatte der Kulturstaatsminister in einer berühmt gewordenen Grundsatzrede im Institut für Islamische Studien der Universität München erklärt, dass der Bund bei der Kulturförderung künftig stärker auf die Gleichberechtigung der verschiedenen Kulturen achten werde. Der neugegründete Dachverband der islamischen Kulturschaffenden hatte daraufhin vorgeschlagen, die Kulturförderung entsprechend dem muttersprachlichen Anteil der Einwohner in Deutschland aufzuteilen. Das Bundeskabinett fasste einen entsprechenden Grundsatzbeschluss.
    In Duisburg wurde die neue Linie ihrem ersten Praxistest unterzogen. Dort hatte die kommunale Vereinigung der islamischen Gläubigen 2021 bei der Kommunalwahl 35 Prozent der Stimmen erhalten. Sie war bereit, der SPD (17 Prozent) das Amt des Kämmerers zu überlassen, wenn sie selbst das Amt des Dezernenten für Kultur und Abfallwirtschaft erhielt. So geschah es. Doch schon nach wenigen Tagen kam es zu einem Eklat. Der neue Kulturdezernent stieß sich am Programm des Stadttheaters. In einer öffentlichen Auseinandersetzung, die die Feuilletons der Republik über Wochen beschäftigte, zwang er den Intendanten des Stadttheaters, die Inszenierung »Der Widerspenstigen Zähmung« von William Shakespeare abzusetzen. Eine gläubige Muslima würde und dürfe sich niemals so gegenüber ihrem Mann
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