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Deutsche Geschichte

Deutsche Geschichte

Titel: Deutsche Geschichte
Autoren: Manfred Mai
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einzuschließen. Meine Augen sollen alles sehen und meine Ohren alles hören, was im Lande vor sich geht«, sagte er. Und ein Zeitgenosse schrieb über Rudolf: »Er verbreitet Furcht und Schrecken bei den ungerechten Großen und Freude unter dem Volk.«
    Ein »Großer« allerdings zeigte von Anfang an keine Furcht vor dem »armen Grafen«, wie er Rudolf herablassend nannte: der böhmische König Ottokar. Er verweigerte Rudolf die Anerkennung und verhöhnte ihn sogar. Am 26. August 1278 standen sich die beiden mit ihren Soldaten auf dem Marchfeld bei Wien gegenüber. Ottokars Heer wurde besiegt, er selbst auf der Flucht getötet. Bald danach wurde Ottokars Reich aufgeteilt. Mit Zustimmung der Kurfürsten erhielten Rudolfs Söhne Österreich, die Steiermark, Kärnten und Krain als Lehen. Damit war der Grundstein für eine starke Stellung der Habsburger im Deutschen Reich gelegt. Durch geschicktes Verheiraten seiner drei Söhne und sechs Töchter und durch die Vergabe neuer Lehen an Familienmitglieder gelang es Rudolf, die Habsburger innerhalb von zwei Jahrzehnten zu einem der mächtigsten Geschlechter in Europa zu machen. Und als an die geistlichen Kurfürsten seiner Zeit niemand mehr dachte und die Familien der weltlichen Kurfürsten längst ausgestorben waren oder keine Macht mehr besaßen, regierten die Nachkommen des »armen Grafen Rudolf von Habsburg« noch immer als deutsche und österreichische Kaiser, der letzte bis 1918.

Finstere Zeiten
    Das ausgehende 13. und noch mehr das 14. Jahrhundert waren unruhige und unsichere Zeiten. Nachdem der Habsburger Albrecht I. im Jahr 1308 von seinem Neffen ermordet worden war, machten die Kurfürsten den Grafen Heinrich aus dem Hause Luxemburg zum deutschen König. Als er fünf Jahre später starb, konnten sich die Kurfürsten nicht einigen und wählten gleich zwei Könige: den Habsburger Friedrich und den Wittelsbacher Ludwig. Das war und blieb einmalig in der deutschen Geschichte und machte ein Grundproblem des Reiches deutlich: die Schwäche des König- beziehungsweise Kaisertums. Weil die deutschen Könige und Kaiser von der Zustimmung der mächtigen Kurfürsten abhängig waren, konnte sich kein Machtzentrum mit einer Hauptstadt entwickeln, von wo aus das Reich dauerhaft regiert und verwaltet wurde.
    Zur politischen Unsicherheit kam noch die große Plage des zu Ende gehenden Mittelalters: die Pest. Im Lauf des 14. Jahrhunderts fiel ihr etwa ein Drittel der Bevölkerung zum Opfer. Ganze Landstriche verödeten. Die Welt musste den Menschen als ewiges Jammertal mit Hunger, Pest und Kriegen erscheinen. Und auch von ihrer letzten Hoffnung, der Kirche, wurden viele enttäuscht. Denn sie erkannten den Widerspruch zwischen dem, was die Geistlichen verkündeten, und dem, was sie taten. Gepredigt wurden Nächstenliebe und Genügsamkeit, doch gleichzeitig lebten viele Kirchenmänner in Saus und Braus und waren mehr an weltlicher Macht als an einem Leben nach Gottes Geboten interessiert. So verloren die Menschen allmählich das Vertrauen in die Kirche und damit ihren letzten Halt. Sie glaubten nicht mehr, dass diese Ordnung – oder besser gesagt Unordnung – von Gott gewollt war. Das Verhalten der geistlichen und weltlichen Obrigkeit konnte nicht in Gottes Sinn sein. Viele Menschen verweigerten der Obrigkeit erstmals den Gehorsam und erhoben sich gegen sie. In den Städten und auf dem Land kam es zu Aufständen, die jedoch meistens blutig niedergeschlagen wurden.
    Diese finsteren Zeiten meinte man, wenn man später das ganze Mittelalter »finster« nannte. Damit aber tat man den mittelalterlichen Menschen Unrecht. Das Mittelalter war auch eine Zeit großer politischer, wissenschaftlicher und kultureller Leistungen.
    Mittelalterliche Baumeister begannen schon im 11. Jahrhundert mit dem Bau der romanischen Dome von Worms und Speyer. Im 13. Jahrhundert wurden die Grundsteine für die gotischen Kathedralen in Freiburg, Köln und Straßburg gelegt. Im 14. Jahrhundert folgten die Ulmer mit dem Bau ihres Münsters. Zur gleichen Zeit wurden in Prag, Wien, Heidelberg und Köln Universitäten gegründet, in denen nicht nur der rechte Glaube, sondern auch das wissenschaftliche Denken gelehrt wurde.
    Das Bürgertum in den Städten forderte und erhielt erste politische Mitwirkungsrechte. Im Jahr 1396 entstand in Köln eine erste Verfassung, nach der alle Bürger ein Mitbestimmungsrecht in der Stadtpolitik besaßen.
    Das alles vergisst, wer vom »finsteren Mittelalter« spricht.

Eine neue Zeit
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