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D.E.U.S.

D.E.U.S.

Titel: D.E.U.S.
Autoren: Mario Degas
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flüchtiges Lächeln. Er erwiderte es
nicht.
     »Willst
du mir etwas über dich erzählen? Oder über sie?« Ich ließ es auf einen Versuch
ankommen »Deine Mutter!?« Er bewegte zu zügig den Kopf, sein noch junger
Adamsapfel schluckte heftig.
     »Es
tut mir leid.« Ich empfand Mitleid mit ihm. Er musste tagelang, vor aller Augen
verborgen, im Müll gelungert haben, nur um nicht von ihrer Seite weichen zu
müssen. Zu Hause wartete Mel auf mich, hier war ein einsamer Mensch mehr. Ich
wusste, sein Schmerz würde gehen, wenn die Zeit reif war. Doch nur, wenn er
lernte, damit umzugehen. Mir fiel ein guter Lehrer ein.
     »Ich
werde jetzt gehen. Mit zu mir nehmen kann ich dich nicht. Aber ich habe einen
Freund, der sich um dich kümmern könnte, wenn du das willst!?« Das Schaben an
der Wand hörte abrupt auf.
     »Ich
...« Er stammelte sein erstes Wort, brüchig, von einer verdorrten Zunge
hervorgetragen. Mehr brachte er jedoch nicht aus sich heraus.
     Ich
hielt ihm meine Hand entgegen, er besah sie ausgiebig. Wir waren über einen
gewissen Punkt hinaus, den Augenblick, wo man sich bruchstückhaft vertraut,
obwohl man sich keine zehn Minuten kennt. Seine Vorsicht ließ ihm jedoch wieder
die Hände hinter seinem Rücken verschränken. Sein Blick ging zu Boden, wo sich
immer mehr Pfützen auf dem Untergrund sammelten.
     Es
war immer noch um den Morgen rum, blind sah man die gerade erst aufgegangene,
nicht existenzielle Sonne hinter Wolken, Smog, Nebel und nun dem Regen.
     Es
war Zeit zu gehen. Ich warf einen letzten Blick auf den nassen Schwan. Wer
mochte sie gewesen sein, die Mutter dieses Jungen? Unter vielen nur eine
weitere Abhängige, die ihre Sühne getan und jetzt ihre Schulden beglichen
hatte? War sie auch nur ein Nomade, so wie wir, geflohen vor dem System? Doch
egal, wer sie in Wirklichkeit war, ich sah in ihr einen großen Teil unserer zerbrochenen
Gesellschaft, verbunden mit all denen, denen das gleiche Schicksal widerfahren
war oder noch widerfahren sollte. Wasser perlte von ihrer Haut, sammelte sich
im Bauchnabel und schwappte schließlich über. Blutend beförderte ihr Mund die
letzte Bewegung ans Licht.
     Mit
schweren Schritten setzte ich einen Fuß vor den anderen, kam keine fünf
Schritte weit, als eine kleine Hand sich mir anvertraute.
     »Sean«,
sprach mein neu gewonnener Weggefährte.
     »Hallo
Sean. Ich bin Sid.«

 
     
     
     
     
     
     
     
    3
     
     
     Die
Larven krümmen sich am Ende ihrer Entwicklung, wechseln ihre Farbe ins madige
Braun. Die Fliege entschlüpft aus einer gebrochenen Hülle, erhebt sich in ihren
Werdegang.
     Ihre
Flügel schlagen mehr als dreihundert Mal in der Sekunde. Mit jedem Schlag tanzen
Gene auf und ab. Ihre Facettenaugen erfassen den, der sie züchtet. Sie ist eine
von zehntausend Gefangenen. Das Glas hindert sie am fliehen. Der Aufprall
entlockt ihr keine Schmerzen. Ihr Organismus schreit nach Versuchstier.
     
     Das
Schauspiel hat begonnen.

 
     
     
     
    12. März 2066, minus 1 Jahr
     
     
     Die
Wolken hingen bedrohlich tief. Sie spien Wasser auf die Unterwürfigen. Es war
eine ausweglose Situation. Jeder versuchte, davor zu fliehen. Schutz bot nicht
einmal die Zeit.
     Sean
stand tropfend neben mir, den Kragen des Mantels tief ins Gesicht gezogen. Eine
Markise gewährte uns sporadisch Unterschlupf. Ich beobachtete einen
Imbissverkäufer in der Mitte des Platzes, der, wild fuchtelnd, den angestauten
Regen von seinen dargebotenen Köstlichkeiten schaufelte. Seine Hände dienten
ihm dabei als Werkzeug. Die löchrige Wellpappe über ihm verspottete ihn mit
immer neuen Wassermassen. Der Kundschaft schien dies nicht zu stören. Sie griff
mit langen Armen und offenen Mäulern in die gut gefüllten Schüsseln und Töpfe.
     Das
Licht befreite mich aus meiner Starre. Es blendete mich in Rot, Gelb, Grün; dem
Zeichen, dass etwas Großes einfuhr.
     »Komm«,
sagte ich zu Sean, »unsere Mitfahrgelegenheit.«
     Der
Junge folgte mir augenblicklich. Seine Scheu steckte zurück, verborgen hinter
aufkeimender Zuversicht. Ich war überrascht, wie weit er mir bereits gefolgt
war. Er schien ein Interesse daran zu haben, zu erfahren, wo unsere kleine
Reise hinging.
     Ich
bahnte mir meinen Weg durch die Menge. Ab und zu stieß ich mit Passanten zusammen.
Ich hörte weder Boshaftigkeit noch eine Entschuldigung. Die allgemeine Hektik
stumpfte ab.
     Auf
dem improvisierten Bahnsteig stand nur eine Handvoll Menschen. Eine sich in die
Ferne erstreckende Eisenplatte
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