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Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege

Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege

Titel: Detektivin Anfang 30 sucht Auftraege
Autoren: Sue Grafton
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    »Das geht erst heute. Bei Erwachsenen muß man, glaube ich, 72 Stunden warten. Aber auch dann kann die Polizei nicht viel machen .«
    »Was hat man Ihnen geraten ?«
    »Das Übliche, schätze ich. Ich habe bei sämtlichen Freunden und Bekannten angerufen. Ich habe mit ihrer Mutter in Bakersfield und mit der Arbeitskollegin gesprochen. Niemand hat eine Ahnung, wo sie sein könnte. Ich habe Angst, daß ihr was zugestoßen ist .«
    »Haben Sie in den Krankenhäusern der Umgebung nachgefragt ?«
    »Natürlich. Das war das erste, was ich gemacht habe .«
    »Und es war ihr nichts anzumerken ?«
    »Nichts.«
    »War sie vielleicht deprimiert, oder hat sie sich komisch benommen ?«
    »Also, irgendwie war sie nervös. Aber im Herbst war sie immer ziemlich unruhig. Sie hat behauptet, die Jahreszeit erinnere sie an ihre Schulzeit .« Er zuckte mit den Achseln. »Ich habe die Schule gehaßt .«
    »Aber sie ist nie einfach verschwunden ?«
    »Himmel, nein. Ich habe das nur erwähnt, weil Sie gefragt haben. Ich glaube, es hatte nichts zu bedeuten .«
    »Hat sie Alkohol- oder Drogenprobleme ?«
    »Lucy ist nicht der Typ«, verneinte er. »Sie ist zierlich, still und... häuslich, wie Sie vermutlich sagen würden .«
    »Was ist mit Ihrer Ehe? Kommen Sie gut miteinander aus ?«
    »Von mir aus gesehen, ja. Natürlich gibt’s manchmal Krach. Aber es ist nie was Ernstes .«
    »Und worum ging’s dann meistens ?«
    Er lächelte traurig. »Meistens ums liebe Geld. Bei drei Kindern ist immer zuwenig da. Ich mag große Familien, aber finanziell gesehen ist es schon hart. Ich wollte immer vier oder fünf Kinder, aber Lucy findet, drei sind genug; vor allem, weil das älteste noch nicht mal zur Schule geht. Darüber streiten wir hauptsächlich .«
    »Sie arbeiten beide ?«
    »Wir müssen. Sonst würd’s gar nicht reichen. Lucy hat eine Stelle bei einer Treuhandfirma, und ich bin beim Fernmeldeamt .«
    »Als was?«
    »Techniker.«
    »Gibt es vielleicht einen anderen Mann in ihrem Leben ?«
    Er seufzte und zupfte an den Grashalmen zwischen seinen Füßen. »Ich wünschte fast, ich könnte >ja< sagen. Ich würde gern denken, sie hat vielleicht alles satt und sich auf ein hübsches Wochenende in einem Motel eingelassen... oder so was .«
    »Aber Sie glauben nicht recht daran .«
    »Hm... Ne. Ich mach’ mir schreckliche Sorgen. Ich will wissen, wo sie ist .«
    »Mr. Ackerman...«
    »Sagen Sie ruhig Rob zu mir«, fiel er mir ins Wort.
    Das höre ich von meinen Klienten immer. Alle wollen mit dem Vornamen angeredet werden.
    »Also gut, Rob«, begann ich erneut. »In Ihrer Situation sind Sie am besten bei der Polizei aufgehoben. Ich arbeite allein. Der Polizei steht ein ganzer Fahndungsapparat zur Verfügung. Und der kostet Sie keinen Cent .«
    »Sie sind wohl sehr teuer, was ?«
    »Dreißig Dollar die Stunde plus Spesen.«
    Er dachte einen Augenblick nach. Dann sah er mich prüfend an. »Könnten Sie einfach mal zehn Stunden für mich investieren? Ich habe dreihundert Dollar gespart. Damit wollten wir eigentlich in den Zoo von San Diego .«
    Ich tat so, als überlegte ich. Dabei war mir längst klar, daß ich diesem Jungengesicht keine Bitte abschlagen konnte. Außerdem fingen die Kinder gerade zu quengeln an, und ich wollte nichts wie weg. Ich verzichtete auf Vorschuß und sagte, daß er eine Rechnung kriegen würde, sobald die zehn Stunden um wären. Ich überlegte, daß ich ihm den Vertrag per Post zuschicken könnte, um den Kontakt mit den Zwergen, die ihn bereits wegen neuer Süßigkeiten umlagerten, auf ein Minimum zu beschränken. Ich verlangte ein Foto neueren Datums von Lucy, doch alles, was er auftreiben konnte, war ein zwei Jahre altes Bild mit den beiden älteren Kindern. Schon damals machte sie einen gequälten Eindruck; und das war immerhin vor der Geburt von Nummer drei. Ich dachte an die ruhige, zierliche Lucy Ackerman, deren drei stramme Söhne Beine vom Durchmesser meiner Arme hatten. Wenn ich sie gewesen wäre, hätte ich schon gewußt, wo ich sein würde: über alle Berge.
    Lucy Ackerman arbeitete als Büroangestellte in einer kleinen Treuhandfirma in der State Street, nicht weit von meinem Büro entfernt. Es waren bescheidene weißgetünchte Räume mit rotbraun bezogenen Polstermöbeln und einem Teppichboden in gedämpftem Orangerot; mit Gauguin-Drucken an den Wänden und einem Blumentopf auf jedem Schreibtisch. Ich stellte mich der Büroleiterin, einer Mrs. Merriman , vor. Mrs. Merriman war Anfang Sechzig, sie hatte ihr
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