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Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen

Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen

Titel: Desire - Die Zeit Der Rache Ist Gekommen
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das Böse lauerte, so dunkel wie Satans Seele.
    »Vater, steh mir bei.« Lucia tauchte die Fingerspitzen in geweihtes Wasser, bekreuzigte sich und betrat das Kirchenschiff. Es war, als sähe sie die Szene aus ihrem Kopf vor sich: Rote Votivkerzen flackerten und warfen zuckende Schatten auf die Steinwände. Ein riesiges Kruzifix hing von der Deckenwölbung über dem Altar, von wo aus Jesus in seiner Todesqual die Kapelle überblickte.
    Instinktiv schlug Lucia erneut das Kreuz. Das Surren in ihrem Kopf verwandelte sich in ein Hämmern.
    Aus dem Augenwinkel nahm sie eine flüchtige Bewegung wahr – eine dunkle Gestalt in sich bauschenden Gewändern, die durch eine Tür verschwand.
    »Vater?«, rief sie in der Annahme, die Person, die aus der Kapelle eilte, sei ein Priester. Die Tür fiel mit einem Klicken ins Schloss. »Warten Sie! Bitte …« Sie lief zur Tür. »Vater – o  nein …!« Ihre Stimme verklang, als sie auf dem Steinfußboden vor der ersten Bankreihe den Zipfel eines hauchzarten weiß-gelblichen Spitzenstoffes erblickte.
    Was war das?
    Um ein Haar wäre ihr Herz stehengeblieben.
    Die Bilder, die ihr zuvor durch den Kopf geschossen waren, fielen ihr wieder ein.
    Ein vergilbtes Kleid.
    Grausame Lippen.
    Eine Tür, die ins Schloss fiel.
    Die Szene vor ihr war genau wie in ihrer Phantasie.
    Wieder vernahm sie das Flüstern des Bösen. Lucia stürmte nach vorn, Richtung Altar, und wäre beinahe gestolpert. Ihre nackten Füße klatschten auf den kalten Steinboden, das Geräusch hallte von der hohen, gewölbten Decke wider.
    Das kann nicht sein! Es kann einfach nicht sein!
    Voller Angst, was sie vorfinden würde, stürzte sie in den vorderen Teil der Apsis, der von den prächtigen, jetzt dunklen Buntglasfenstern umgeben war. Das Kruzifix ragte hoch auf, der Sohn Gottes starrte in seinem Schmerz auf sie herab.
    »O Gott!«, schrie Lucia.
»Dios! Mi Dios!«
    Eine gekrümmte Gestalt lag vor der ersten Bankreihe neben dem Taufbecken.
    »No, por favor, Jesús. No, no, no!«
    Der Anblick ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. Lucia unterdrückte mühsam einen weiteren Schrei und fiel neben der Braut in dem zarten, abgetragenen Brautkleid auf die Knie. Ein dünner Schleier bedeckte deren Gesicht.
    Lucias Magen drehte sich um, als sie Schwester Camille erkannte – das Gesicht leichenblass, die Lippen blau, die Augen weit aufgerissen, starrte sie sie durch die durchsichtige Spitze blicklos an.
    »Um Himmels willen …« Lucia schnappte nach Luft. Sie berührte Camilles noch warme Haut und tastete an ihrem Hals, an dem sich kleine Blutergüsse und Einschnitte zeigten, nach dem Puls. Fast hätte sie sich übergeben. Jemand hatte versucht, Camille zu töten. Aber, o Gott, war sie überhaupt noch am Leben? Spürte sie tatsächlich einen leichten Pulsschlag, oder bildete sie sich das nur ein?
    »Camille«, krächzte Lucia verzweifelt und mit brechender Stimme, »halte durch! Bitte, halte durch …
Mi Dios!
«
    Die Glockenschläge über ihrem Kopf klangen wie ein Totengeläut.
    Sie blickte auf. »Hilfe! So hilf mir doch jemand!« Ihre Stimme stieg auf zu den Dachsparren und hallte zu ihr zurück. »Bitte!«
    Der Frau, von der sie nicht wusste, ob sie noch lebte oder schon tot war, flüsterte sie zu: »Camille, ich bin’s, Lucia. Halte durch … Bitte, bitte … Deine Zeit ist noch nicht gekommen …« Aber jemand hatte beschlossen, dass Camille sterben sollte, und Lucia kannte die Person, die Camille Renard bestimmt gern tot gesehen hätte.
    Aus tiefster Seele murmelte sie ein rasches Gebet, dann beugte sie sich mit Tränen in den Augen dicht an Camilles Ohr: »Bitte halte durch.« Mit ihrem Nachthemd versuchte Lucia, das immer stärker aus Camilles Halswunden austretende Blut zu stoppen.
    Camille regte sich nicht.
    Ihre Pupillen waren starr.
    Ihre aschfahle Haut wurde kälter.
    Lucia geriet in Panik. Sie musste etwas tun! Irgendetwas!
Bitte, lieber Gott, nimm sie nicht zu dir. Noch nicht … O Vater!
    »Hilfe!«, schrie Lucia wieder. Sie wollte die Freundin, die seit über einem Jahr zu ihrer Vertrauten geworden war, nicht verlieren, eine Frau, die sie einen Großteil ihres Lebens gekannt hatte. Sie durfte nicht sterben …
    Bilder von Schwester Camille stürzten auf Lucia ein. Wie schön sie war mit ihrem geheimnisvollen Lächeln und den Augenbrauen, die oft amüsiert oder ungläubig in die Höhe schossen!
    Mit zusammengeschnürter Kehle flüsterte sie wieder: »Deine Zeit ist noch nicht gekommen,
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