Des Wahnsinns fette Beute: Macken und Marotten auf der Spur (German Edition)
ihre Ohren schon nicht mehr. So kam es, dass sie mich Monate später auf einer Party im Alten Wartesaal mit den Worten «Ich kenn dich doch, du bist doch die Claudia» begrüßte und sogleich auch wieder stehen ließ. Wie heißt es doch so schön, man sieht sich im Leben immer dreimal. Oder so ähnlich. Wir schreiben den 25. Mai 1990, und die letzte Sendung des WWF-Club war gelaufen. Aus diesem Anlass gab es ein großes Sommerfest auf dem Gelände des WDR draußen in Bocklemünd. Es war bereits nach Mitternacht, und ich tanzte mit Heino. Plötzlich erspähte ich Hannelore, seine Gattin, in einem angeregten Gespräch mit Hella an einem Bistrotisch stehend und bekam auf der Stelle weiche Knie. Irgendwie gelang es mir dennoch, den führenden Part beim Foxtrott zu übernehmen, und so tanzte ich Heino und mich zielstrebig an ebendiesen Tisch. Hella und ich sahen uns einen Moment zu lange an, und plötzlich hörte ich ihre Worte: «Sag mal, kann es sein, dass du lesbisch bist?» Mein selbstverständliches «Ja» habe ich bis heute zu keinem Zeitpunkt bereut.
Ich ( Hella ) erblickte am 2. Februar 1959 das Licht der Welt. Die Legende behauptet, eine Urgroßmutter hätte Hanne angemaunzt, sie könne ihrer «Tochter doch keinen Pferdenamen geben!», da die berühmte Hessenstute HALLA den schwerverletzten Hans Günter Winkler drei Jahre zuvor auf dem Olympiaparcours in Stockholm zum goldenen Sieg getragen hatte.
Meine Mutter, Hannelore Sieglinde Schneider, hatte einen Vater, der – wie man in Köln sagt – «schwer watt an de Föss» hatte. Will heißen, Wilhelm hatte sich als Pflasterermeister selbständig gemacht und mit seiner Hoch- und Tiefbau KG Millionen gescheffelt, die seine Gattin Hedwig, geborene Gerhard, mit beiden Händen ausgab. Wobei! Sie ließ sich gerne von Chauffeur Fritz auf den Nippeser Markt kutschieren, um das billigste Angebot für Kartoffeln zu recherchieren.
Als Köln im Zweiten Weltkrieg systematisch zerbombt wurde, evakuierte man aufs Land, wo meine Mama meinen Papa kennenlernte: Helmut Otto Kemper. Helmuts Vater Otto hatte weniger an «de Föss», dafür Blasen an den Händen. Er arbeitete als Steinmetz im Steinbruch, um seine zehn Kinder zu ernähren. Seine Frau Emilie war der warmherzige Mittelpunkt der großen Familie auf einem kleinen Anwesen in Niederwette bei Marienheide.
Ich denke, der familiäre Hintergrund meiner Eltern trug Mitschuld an ihrem endgültigen Zerwürfnis 1971.
Nach einer muckeligen Kindheit mit meinem dreieinhalb Jahre älteren Bruder Hartmut in der Wiesenstraße in Gummersbach litten wir, als wir größer waren, unter dem Zank meiner Eltern. Und in der Regel ging es um Geld. Vattern machte steile Karriere beim Sozialamt der Stadt und konnte es als viertes Kind und ältester Kemperssohn nicht wechseln, dass sein Schwiegervater ihm Einfamilienhaus und Jagd mitfinanzierte.
Nach der Scheidung zog Hanne wieder in ihr Elternhaus nach Köln, und Helmut heiratete Renate Schmidt, mit der er mir 1973 ein zweites Brüderchen bastelte: Torsten.
Da war ich schon lesbisch.
Ich war mit sechs schon lesbisch. War ich doch über beide Ohren in «Frollein Viehbahn» verknallt. Meine Grundschullehrerin mit Dutt. Mit acht Jahren posaunte ich bereits auf rauschenden Familienfeiern «Ich werde nicht heiraten!», womit ich vor allem den Unmut der Tanten auf mich zog. Kempers sind nun mal Fans von gutbürgerlicher Küche und gutbürgerlichen Zuständen. Das war nicht Hannes Plan und meiner schon gar nicht.
Meinen ersten Zungenkuss bekam ich mit zwölf von Renate B. aus G. (PUNKT!) und blieb bei Frauen. Neun Jahre später hatte ich meinen ersten «erwachsenen» Sex mit Sybil. Gleichgeschlechtsverkehr wurde mein Hobby. Als ich Conny am 26. Mai 1990 zum ersten Mal bewusst wahrnahm, lebte ich mit Dirk Bach und meiner damalige Partnerin in einer Wohngemeinschaft. Diese musste ich leider verlassen, da die Gefühle zu Cornelia einfach zu stark waren. Es fing in der Maiennacht ganz harmlos an. Wir saßen am Küchentisch unserer WG im – auf Grund des Brandes beschissenerweise – von Hanne geerbten Haus und sprachen über unsere Mütter. Beide hatten wir unsere Mütter auf dramatische Weise viel zu früh verloren. Ich konnte mich von Hanne nicht verabschieden, und Conny wäre an dem quälenden Abschied von Mildred fast krepiert. Was uns verband, war die starke, fast süchtige Liebe zu beiden. Und das schmerzliche Vermissen. Das war für mich eine neue Erfahrung. Ich hatte noch keine
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