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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Autoren: Simone Neumann
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schimpfte sie lautstark aus, hielt ihr vor, sie hintergehe ihn, sei lebensmüde und unaufrichtig. Dann befahl er ihr, ihre Sachen zu packen und mit ihm nach Augsburg zu gehen.
    Doch Anna weigerte sich. »Macht ihr, was ihr wollt. Ich bleibe. Ich bin der Köder, und ohne mich werdet ihr ihn nie finden.«
    Andreas schaute sie nur kurz an und lächelte bitter. Dann packte er sie, trug sie zur Tür hinaus und zerrte die sich Wehrende die Dorfstraße hinunter. Mergel stand in der Tür und sah den beiden nach, bis sie hinter einer Wegbiegung verschwanden.

XXXII

    Bustl Greitner war eine Hure, da war sich Anna sicher. Freundlich zwar und durchaus warmherzig, aber eine Hure. Und ihr Andreas kannte diese Frau. Sicherlich kannte er sie sogar gut.
    In eine Kammer von Gustl Greitners Freudenhaus hatte Andreas sie gesperrt. Hatte Türen und Fenster verriegelt, und dann war er gegangen. Doch Anna würde nicht hierbleiben. Sie verstanden nicht, sie verstanden einfach nicht. Er hatte sie bisher immer gefunden, und er würde sie auch hier in Augsburg finden. Den weiten Weg hatte Andreas umsonst gemacht.
    »Ich habe eine warme Suppe für dich, Anna. Darf ich reinkommen?«
    Es war Gustl Greitners Stimme. Anna hörte, wie von außen der Riegel aufgeschoben wurde, und schnell schlich sie zur Tür. Als diese sich langsam öffnete, riss Anna sie von innen mit einem gewaltsamen Ruck ganz auf, sodass ihre Gastgeberin mitsamt dem suppenteller in die Kammer stürzte und zu Boden fiel. Anna nutzte den Moment und stürmte davon.
    Auf der Holzstiege brachte sie noch einen betrunkenen Landsknecht zu Fall, der ihr lallend eine üble Beschimpfung hinterherschickte. Unten in der Gaststube musste sie sich erst durch eine Gruppe weiterer Soldaten kämpfen, von denen einer Anna um die Taille fasste und sie an sich zog. Eine schallende Ohrfeige reichte aus, um sich zu befreien, und dann stand sie endlich auf der Straße.
    Der Abend des folgenden Tages war bereits angebrochen, als Anna in ihrem Dorf ankam. Es war dunkel, aber noch keine Schlafenszeit. Dennoch war es gespenstisch ruhig. Der ganze Ort schien verlassen – kein Licht, kein Rumoren, völlige stille. Offenbar hatte Andreas seine Ankündigung wahrgemacht und eine ganze Landwehr gegen den Frauenmörder zusammengestellt. Und nun trieb sich die Truppe irgendwo in den Wäldern herum, das Trugbild jagend, während Frauen und Kinder in ihren Verstecken saßen.
    Anna schüttelte den Kopf und ging zum Gramshuber-Haus. Vielleicht würde der Einäugige dort auf sie warten und ihr verraten, was der Mörder als Nächstes im Schilde führte. Vorsichtig betrat sie den Hof. Es war düster und leise. Ihr wurde flau im Magen, und als plötzlich eine der Ziegen meckerte, wäre ihr beinahe das Herz stehengeblieben. Gerade hatte Anna sich wieder gefangen und atmete erleichtert aus, als sie etwas bemerkte.
    Da stand jemand. Die schwarze Silhouette eines Mannes. Mitten auf dem Hof stand er und schaute in ihre Richtung. Anna blieb stehen, ihr Mund wurde ganz trocken, ihre Hände schweißnass. Angestrengt versuchte sie in der Dunkelheit auszumachen, ob es vielleicht ihr Beschützer sei.
    Er war es nicht. Ganz sicher war er es nicht. Seine ganze Statur war anders. Nein, er konnte es nicht sein.
    Jetzt kam er langsam auf sie zu. Und Anna rannte los. Sie rannte zum See.
    Doch er war schnell, unglaublich schnell. Im Nu hielt er sie am Arm. Riss sie nach hinten, umfasste mit seinen langen Fingern ihren Hals. Anna gelang es, sich zu wehren, ihn zu treten, ihn zu beißen. Und tatsächlich ließ er sie los. Sie sprang ins Wasser. Schwamm fort. Der Schatten blieb am Ufer.
    Offenbar konnte er nicht schwimmen. Anna hingegen hatte es als Kind gelernt – nachdem ihr älterer Bruder so jämmerlich ertrunken war, hatte sie es sich, zusammen mit ihren Geschwistern, selbst beigebracht. Doch Ausdauer und Übung hatte sie keine. Wie ein Spatz, der in einer Pfütze badete, planschte sie, unbeholfen mit den Armen rudernd, im Wasser. Längst hatte sie den Boden unter den Füßen verloren, war weit vom Ufer entfernt, doch sie konnte ihn noch sehen.
    Er behielt sie im Auge, wartete, dass sie zurückkam, dass sie sich vor dem Ertrinken rettete und freiwillig das Land aufsuchte. Doch Anna wollte lieber ersaufen, als wehrlos und erschöpft in die Fänge dieses Monstrums zu geraten. Kaum vorwärtskommend, immer auf der Stelle paddelnd und ihren Peiniger im Auge behaltend, blieb sie im Wasser. Vielleicht geschah ein Wunder.
    Doch das Einzige,
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