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Des Kaisers Gespielin (German Edition)

Des Kaisers Gespielin (German Edition)

Titel: Des Kaisers Gespielin (German Edition)
Autoren: Ana Hofmann
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andere.“
    Von Ferne ertönte das klappernde Geräusch von Hufen auf der unregelmäßig gepflasterten Einfahrt und ich stand erschrocken auf.
    „Es wird der Vater sein. Schnell, wir müssen uns zurechtmachen! Er wird auf sein Nachtmahl nicht warten wollen.“
    Line sah mich noch einmal lange an. Auch sie wusste, dass die Würfel jetzt gefallen waren, mein Schicksal hatte sich soeben entschieden. Und nur der Vater kannte jetzt die Antworten auf unsere Fragen. Sie nickte mir aufmunternd zu und verschwand dann gleich in ihrem Zimmer, um sich umzukleiden. Selbst im Kreise der Familie duldete die Mutter kein Anzeichen von Schäbigkeit, nicht bei sich selbst und ganz sicher nicht bei ihren Töchtern.
    Ich tauschte schleunigst mein Hauskleid mit der Abendgarderobe. Ich entschied mich für ein dunkelblaues Gewand aus Samt, eines der abgelegten Kleider meiner Mutter, mit feinster Stickerei verziert. Am Saum hatten sich die feinen Fäden bereits aufgelöst, aber ich bezweifelte, dass es jemandem auffallen würde. Ich sammelte noch einen letzten Moment lang meine Gedanken und meinen Mut und hoch erhobenen Hauptes schritt ich meinem Urteil entgegen.
     
    2.
    Das Mahl verlief ungewöhnlich schweigsam. Gelegentlich räusperte sich Mutter, nur um sogleich erschrocken aufzublicken, als könnte sie nicht fassen, woher das Geräusch so plötzlich gekommen war. Line und ich tauschten dann heimliche Blicke, in unseren Gesichtern stand nur eine einzige bange Frage. Würde ich gehen oder bleiben? Aber Vater sagte kein Wort, ja er blickte kaum auf. Er schabte nur geräuschvoll auf seinem Gedeck herum. Als er endlich seinen Teller zur Seite schob, schaute er einmal kurz auf, bemüht darum, meinem nervösen Blick auszuweichen.
    „Morgen wird der kaiserliche Statthalter erscheinen. Er wird eine...“, er räusperte sich und rutschte unangenehm berührt auf seinem Stuhl herum,“...Inspektion durchführen.“
    Dann schaute er mir in die Augen und ich konnte keine Weichheit, kein Erbarmen darin erkennen.
    „Ich erwarte, dass du dich ziemlich benimmst.“
    Beinahe klang es wie eine Warnung. Dann stand er auf und verließ den Raum. Zurück blieb nur eine Aura von Kälte. Mutters triumphierender Blick ruhte kurz auf mir, dann sprang sie auf und folgte ihrem Gemahl ins Studierzimmer. Ihre gemäßigten Schritte straften das Blitzen in ihren Augen Lügen. Line öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, aber ich schüttelte nur abwehrend meinen Kopf und verließ das Zimmer. Ich musste jetzt allein sein, bevor mich die Verzweiflung mit sich fortreißen konnte und ich im Sturm meiner Gefühle ertrinken würde. Es würde also geschehen. Das, was ich nunmehr seit Wochen mehr als alles andere gefürchtet, und in der Schwärze der Dunkelheit manchmal sogar herbeigesehnt hatte. Jetzt wusste ich wenigstens, woran ich war und dieser Umstand war seltsam tröstlich, so sehr er mich auch bei Tage mit Schrecken erfüllte.
    Bis spät in der Nacht lag ich auf meinem Bett und fragte mich, was wohl morgen, was wohl mit dem Rest meiner Tage passieren würde. Ich versuchte mich allein auf das Erstere zu konzentrieren, da das Letztere für meinen Verstand einfach nicht greifbar erschien.
    Eine Inspektion! Es war natürlich anzunehmen, dass ich ihr Objekt sein würde, dass man mich begutachten und meine Motive hinterfragen würde und ich fragte mich zum wohl hundertsten Male, welche das sein könnten. Wusste ich nicht weniger, als jeder andere in meinem Hause, was ich eigentlich bei Hofe sollte? Aufregung durchflutete mich und ein bisschen Angst. Die Angst zu versagen? Die Angst zu gefallen? Ich konnte mich nicht entscheiden. Der Morgen graute bereits, als ich endlich in einen leichten Schlaf verfiel und meine Gedanken endlich so tief drinnen in meinem Kopf weitersponnen, dass ich es getrost ignorieren konnte.
    Als ich am nächsten Tag spät erwachte, ist es still im Haus. So still, als wäre ich der letzte Mensch auf Erden, dachte ich beunruhigt und erschauderte unwillkürlich. Vater und Mutter saßen bestimmt im Studierzimmer und fieberten erwartungsvoll der kaiserlichen Gesandtschaft entgegen. Kein Ton drang aus der Küche und von Line war auch nichts zu hören. Bestimmt war sie auf den Nachbarhof entwischt, dachte ich nachsichtig, die Gelegenheit war immerhin einmalig. Von allen Tagen würde sie heute sicher am wenigsten jemand vermissen. Der Gedanke an meine liebeskranke Schwester ließ mich lächeln. So hatte wenigstens eine von uns ihr Glück gefunden und
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