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Der Zwergenkrieg

Der Zwergenkrieg

Titel: Der Zwergenkrieg
Autoren: Kai Meyer
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Öffnung das schwere Bohrgerät und die sechs Zwerge verschluckt.
    Mütterchen und die anderen schauten sich fasziniert um. Mindestens zehn weitere der plumpen Geräte standen noch in zwei Reihen zu beiden Seiten der Halle. Die riesigen Rammböcke mit ihren Korkenzieherspitzen wirkten aus der Nähe viel gefährlicher als von weitem. Mütterchen hatte nicht die geringste Ahnung, wie die Minenbohrer arbeiteten, doch ihre Achtung vor Alberichs Vorfahren wuchs. Der Zwerg wiederum schien das Staunen seiner Freunde zu genießen.
    Nach einem Augenblick zogen sich die Gefährten in den Schatten eines der Bohrer zurück.
    »Wie viele davon gab es hier ursprünglich?«, flüsterte Mütterchen.
    »Sechzehn«, erwiderte der Horthüter leise. »Dazu noch jene, die damals in den unfertigen Stollen stehen geblieben sind.«
    »Die werden wahrscheinlich noch an Ort und Stelle sein. Es dürfte einfacher sein, sich hier zu bedienen, als diese Kolosse im ganzen Berg zusammenzusuchen. Das bedeutet, dass fünf wahrscheinlich schon im Einsatz sind, dazu bald noch ein sechster.«
    »Die Zwerge in der Moosgrotte hatten aber nur Spitzhacken dabei«, sagte Geist.
    »Zu wenig Platz für einen der Bohrer«, mutmaßte Mütterchen. »Vielleicht versuchen sie es auf unterschiedlichen Wegen. Weiß der Teufel, was in den Köpfen der Nordlinge vor sich geht. Sicher scheint mir aber zu sein, dass fünf Tunnel bereits in Arbeit sind. Zwei Bohrer haben wir in der Horthalle gehört, was hoffentlich bedeutet, dass die drei anderen noch zu weit entfernt waren.«
    »Und nun?«, fragte Alberich. »Gehen wir endlich hinterher und erschlagen die Bastarde?«
    »Immer mit der Ruhe«, beschwichtigte ihn Mütterchen. Sie deutete auf den Bohrer, neben dem sie sich versteckten. »Weißt du, wie man mit diesen Dingern umgeht?«, fragte sie Alberich.
    Der Horthüter nickte, ohne zu begreifen, auf was sie hinauswollte.
    Mütterchen blickte zu der Öffnung, die die Nordlandzwerge in die Hallenwand gebrochen hatten. Niemand war zu sehen.
    Hastig erklärte sie den anderen ihren Plan. Alberich blieb argwöhnisch (vermutlich, weil er nicht selbst darauf gekommen war), doch Löwenzahn zeigte sich begeistert, vor allem, weil das Gelingen von Mütterchens List allein von ihm abhing. Er liebte es, sich vor seinen Freunden zu beweisen, und wie es aussah, würde sich ihm bald die beste Gelegenheit dazu bieten.
    Die sechs Nordlandzwerge hatten ihre Last gerade aus dem Stollen hinaus in die Weite des Tunnels geschoben, als hinter ihnen Lärm laut wurde. Ihr Köpfe ruckten herum. Aus ihren Kehlen löste sich ein vielstimmiger Aufschrei, als sie sahen, was hinter ihnen den Stollen herabdonnerte – geradewegs auf sie zu.
    Der Minenbohrer rollte mit enormer Geschwindigkeit aus dem Stollenausgang, rammte seine Spitze in den Rücken des vorderen Gerätes und riss ihn auseinander. Die Zwerge, die sich zwischen den beiden Holz- und Stahlgiganten befanden, versuchten sich mit weiten Sprüngen in Sicherheit zu bringen, doch nur zweien gelang es. Die vier anderen wurden zwischen den schweren Geräten zerquetscht, und ihr Kreischen verhallte abrupt. Der vordere Minenbohrer brach in Stücke, sein Kammbock löste sich aus der Verankerung und polterte mit einem ohrenbetäubenden Krachen zu Boden.
    Im Stollenausgang standen die vier Gefährten, bewaffnet und kampfbereit mit Ausnahme von Geist. Löwenzahns Kleidung war durchnässt vom Schweiß, und seine Klinge zitterte leicht. Den riesigen Minenbohrer ganz allein den Stollen hinabzuschieben war selbst für ihn fast zu viel gewesen. Doch Geists aufmunterndes Lächeln hatte ihm immer dann neue Kraft gegeben, wenn er geglaubt hatte, aufgeben zu müssen. Irgendwann hatte das Gerät in dem abschüssigen Gang durch sein eigenes Gewicht so viel Schwung entwickelt, dass die Mühsal erträglicher wurde. Als der Minenbohrer schließlich hinaus auf die Zwergenstraße gerollt war, war das beinahe ohne Löwenzahns Zutun geschehen.
    »Grundgütiger«, brummte Mütterchen jetzt, als sie hinaus in den Tunnel blickte, »seht euch das an!«
    Sie befanden sich kurz vor dem Ende der Zwergenstraße. Fünfzig Schritte weiter südlich erhob sich die Geröllrampe, die zum einstigen Zugang hinaufführte. An ihrem Fuß befand sich ein mannshoher Haufen aus Gold und Geschmeide, Teile des Hortes, die beim Schließen des Tores vor zweihundert Jahren hinabgefallen waren; die Nordlinge hatten sie aufsammeln lassen, damit nicht das kleinste Stück verlorenging. Fünf Stollen,
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