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Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod
Autoren: Daniel Scholten
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ihr den Spitznamen »Die Harpunistin« eingebracht, doch Emelies Geburt schien Barbro auf andere Gedanken gebracht zu haben. Ihre Freizeit verbrachte die Tochter aus Stockholms Oberschicht nun mit ihrem zwanzig Jahre älteren Kollegen Henning, mit dem sie auch das Büro teilte. Kjells erste Sorge, ob sich zwei in allen Punkten so unterschiedliche Menschen vertragen könnten, hatte sich bald verflüchtigt. Der Frühling hatte eine gegenseitige Rücksichtnahme zwischen ihnen entstehen lassen, die der Sommer und der Herbst in eine Freundschaft verwandelt hatten. Er hoffte, dass der Winter nicht auch noch Liebe daraus machte.
    Gestern Abend waren die vier wie jeden Montag nach der Arbeit ins Schwimmbad im Keller des Polizeihauses gegangen. Erst im Sommer waren aus gelegentlichen Abstechern ins Kellerbad regelmäßige montägliche Schwimmabende geworden. Weil der Arzt Henning zu mehr Bewegung riet, hatte sich Henning für Triathlon entschieden. Morgens radelte er einen halben Kilometer zur Saltsjöbahn und schlenderte vom Centralen zum Präsidium. Das lag genau eine Zigarettenlänge entfernt. Im Sommer ließ er sich gern zur Abendsonne ausgerichtet bis zur Dreißigmeterboje am Smedsudden treiben, an Winterabenden unten im Schwimmbad bis zur Wendemarke. Zu Beginn waren Kjell und Henning unter sich gewesen. Kurz darauf stieß auch Soft dazu und am Ende sogar Barbro, aber nur, um nichts zu verpassen. So war es auch mit den Träumen bei ihm losgegangen, die ihn immer in der Nacht von Montag auf Dienstag befielen. Sofi im Badeanzug war eine Heimsuchung für Männer ohne Gelegenheit. Während sie schwammen, war das alles erträglich, aber im Nachhinein durfte man lieber nicht an sie denken. Normalerweise dachte er dann an ihren Rücken mit seinem lieblichen Muskelspiel, und zwar deshalb, weil sie immer ein bisschen schneller schwamm als er. Von allen Frauen hatte sie den allerschönsten.
    Sein Drang zu schwimmen war in diesem Sommer erwacht, der unerträglich heiß gewesen war. Unter den Arbeitnehmern dieser Welt gehörte er neben Muscheltauchern in der Ägäis zu den wenigen, die theoretisch zu ihrem Arbeitsplatz hätten schwimmen können. Nach einem heißen Arbeitstag brauchte er nur die Polhemsgatan bis zum Norr Mälarstrand hinunterzuschlendern und dort ins Wasser zu steigen. Wenn ihn unterwegs keine Schiffsschraube erwischte, konnte er in Långholmen dem Wasser wie Aphrodite entsteigen. Auf dem verbleibenden Fußweg hatte man fünf Minuten Zeit, um zu trocknen, bevor man daheim in den kühlen Lift stieg. Das hatte er im Sommer viermal gemacht. Jedes Mal musste Linda ihm auf dem Fahrrad wie eine Ballonfahrtbegleiterin über die Brücke folgen, seine Kleidung und Tasche auf dem Gepäckträger. Wenn er in Långholmen an Land ging, hatte sie immer schon auf ihn gewartet.
     
    Kjell kochte Kaffee, Sofi holte Brötchen und Zimtschnecken aus der Cafeteria. Die Gruppe besaß zwei Büros und einen großen Besprechungsraum, den sie auch für die Pausen nutzte. Kjell erzählte Barbro und Henning vom Tatort, enthielt sich dabei jedoch jeder Vermutung, was dort geschehen sein könnte.
    Auch Barbro hatte viel zu berichten. Seit ihrer Ankunft im Präsidium hatte sie sich mit der Identität und den Lebensumständen von Carl Petersson beschäftigt. Er war 1955 in Norrköping geboren worden und hatte gleich darauf die Taufe und die Personenkennnummer 550812-1935 empfangen. Nach dem Studium der Orientalistik und Archäologie hatte er es rasch zu internationalem Renommee als Forscher gebracht.
    Doch es gab einen harten Bruch in seinem Leben. Vor zwölf Jahren hatte er all das restlos verspielt, was er sich aufgebaut hatte. Mehr wusste Barbro noch nicht, aber Petersson hatte bis dahin eine Professorenstelle in Uppsala innegehabt, von der er dann freiwillig zurückgetreten war.
    Die Reichskriminalpolizei führte eine Akte über Petersson, und Barbro hatte auch bereits das Dossier erhalten, das die Säpo, der schwedische Staatsschutz und Geheimdienst, über ihn führte. In beiden Akten wurde Petersson mit Antiquitätenschmuggel in Verbindung gebracht. Vor allem ging es jedoch um die Fälschung von Antiquitäten. Man wusste bisher nur, dass Petersson sowohl über das Fachwissen als auch über die Kontakte in beide Richtungen verfügte, um in diesem Geschäft mitmischen zu können.
    Für die westlichen Polizeiorganisationen war das natürlich nicht genug gewesen, um ihm etwas nachweisen zu können. Zudem gab es auch berechtigte Zweifel daran. Die
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