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Der Zementgarten

Der Zementgarten

Titel: Der Zementgarten
Autoren: Ian McEwan
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besichtigt hatte. Es gab nichts, wodurch sie auseinanderzuhalten waren. Ich zog mein Hemd aus und breitete es in der Mitte des größten Raums auf dem Boden aus. Ich legte mich auf den Rücken und streckte die Hände von mir, so daß die Finger in der Sonne lagen. Sofort war ich von der Hitze wie erstickt, Schweiß prickelte mir auf der Haut. Aber ich blieb entschlossen liegen und träumte vor mich hin.
    Als ich aufwachte, wunderte ich mich, warum ich nicht in meinem Bett lag. Ich schauerte und tastete nach den Laken. Als ich aufstand, hatte ich auf einmal Kopfweh. Ich nahm mein Hemd auf und ging langsam nach Hause. Einmal hielt ich kurz, um die blutrote Farbe meiner Brust und Arme zu bewundern, die in der Abendsonne noch dunkler leuchteten. Dereks Wagen war vor dem Haus geparkt. Als ich in die Küche trat, sah ich die Kellertür offenstehen und hörte Stimmen und kratzende Geräusche.
    Derek hatte sich die Ärmel hochgekrempelt und drückte mit einer Kelle nassen Zement in den Spalt. Julie stand dabei, die Hände in die Hüften gestützt, und sah ihm zu.
    »Ich mach hier deine Arbeit für dich«, sagte Derek, als ich hereinkam, aber er hatte offensichtlich Spaß daran. Julie schien begeistert, mich zu sehen, als wäre ich jahrelang auf See gewesen.
    »Schau mal«, sagte sie, »dich hat’s wirklich erwischt. Du siehst wunderbar aus. Sieht er nicht wunderbar aus?« Derek knurrte und beugte sich über seine Arbeit. Der Geruch war schon weniger spürbar. Derek pfiff leise durch die Zähne, während er den Zement glättete. Hinter seinem Rücken blinzelte Julie mir zu und ich tat so, als wollte ich Derek in den Hintern treten. Er ahnte etwas und fragte, ohne sich umzudrehen, »Stimmt was nicht?«
    »Nein, nichts«, sagten wir miteinander und fingen an zu lachen. Derek kam mit der Kelle auf mich zu. Zu meiner Überraschung klang er verletzt.
    »Vielleicht ist es besser, du machst das«, sagte er.
    »Nein, nein«, sagte ich, »du kannst das viel besser als ich.« Derek wollte mir die Kelle in die Hand drücken.
    »Es ist dein Hund«, sagte er, »vorausgesetzt, es ist ein Hund.«
    »Derek!« sagte Julie besänftigend. »Bitte mach du es. Du hast es versprochen.« Sie führte ihn zu der Kiste zurück. »Wenn Jack es macht, gibt es nur wieder Risse und der Geruch geht überall hin.« Derek zuckte die Achseln und fing wieder mit der Arbeit an. Julie tätschelte ihm die Schulter und nahm seine Jacke von einem Nagel an der Wand. Sie legte sie über dem Arm zusammen und tätschelte sie auch. »Nette Mieze«, flüsterte sie. Diesmal überging Derek unser leises Gekicher.
    Dann war er mit der Arbeit fertig und trat zurück. Julie sagte, »Gut gemacht!« Derek machte eine kleine Verbeugung und wollte nach ihrer Hand greifen. Ich sagte etwas Ähnliches, aber er schaute nicht zu mir her. Droben in der Küche standen Julie und ich zu Diensten, als Derek sich die Hände wusch. Julie reichte ihm ein Handtuch, und als er sich abtrocknete, wollte er sie an sich ziehen. Aber Julie kam zu mir, legte mir die Hand auf die Schulter und bewunderte meine Gesichtsfarbe.
    »Du siehst viel besser aus«, sagte sie, »findest du nicht auch, Derek?« Derek band sich die Krawatte mit schnellen, abgehackten Bewegungen. Julie schien ihn in seinen Stimmungen mühelos lenken zu können. Er zog sich die Manschetten zurecht und griff nach seinem Jackett.
    »Mir kommt’s so vor, als hätte er’s übertrieben«, sagte er. Er ging auf die Tür zu, und einen Augenblick dachte ich, er würde weggehen. Stattdessen bückte er sich, hob einen alten Teebeutel an der einen Ecke auf und warf ihn zum Mülleimer hin. Julie füllte den Teekessel und ich verzog mich ins Wohnzimmer, um nach Tassen zu suchen.
    Als der Tee schließlich fertig war, tranken wir ihn stehend in der Küche. In seinem Anzug und der Krawatte sah Derek sich selber wieder ähnlicher. Er stand sehr aufrecht da, hielt die Tasse in der einen Hand, und den Unterteller in der anderen. Er fragte mich über die Schule und meine Jobs aus. Dann sagte er vorsichtig, »Du mußt sehr an dem Hund gehangen haben.« Ich nickte und wartete darauf, daß Julie das Thema wechselte. »Wann ist er denn gestorben?« fragte Derek.
    Ich sagte, »Es war eine sie.« Es gab eine Pause und dann fragte Derek ein wenig schmollend, »Also gut, wann ist sie gestorben?«
    »Vor zwei Monaten ungefähr.« Derek drehte sich zu Julie um und sah sie bittend an. Sie lächelte und goß ihm Tee nach. Er sprach zu dem Zwischenraum zwischen
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