Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore

Titel: Der Zauber Von Avalon 02 - Im Schatten der Lichtertore
Autoren: Thomas A. Barron , Irmela Brender
Vom Netzwerk:
Kinder.
    Trotz all des glänzenden Reichtums in ihrem Dorf kamen Scree diese Leute fast so verwirrt und verlassen vor, wie er sich fühlte. Doch die Wunden, die sie an diesem Tag davongetragen hatten, ließen sich, anders als die seinen, heilen. Denn die Clanangehörigen hatten zwar ihre Führer verloren – und, was wichtiger war, ihr Selbstverständnis als Volk   –, aber das alles konnten sie vielleicht wiederfinden.
    Die Adlermenschen kamen näher, sie umgaben ihn in einem großen Kreis und traten so nah, wie sie es wagten. Kinder mit besorgten Gesichtern, Frauen und Männer mit Angst in den Augen, gebrechliche Alte und kampfbewährte Wachen – sie alle sahen Scree an. Jeder Einzelne schien die gleiche Frage zu stellen:
Wirst du uns jetzt führen?
    Scree blinzelte mit seinen gelb umrandeten Augen. Die heutige Tragödie war nur die bisher letzte von vielen: Seine Mutter war von grausamen Männern getötet worden; seine Adoptivmutter hatte nicht viel länger gelebt; seinen Vater hatte er nie gekannt; Arc-kaya, die so gütig zu ihm gewesen war, hatte er innerhalb weniger Flügelschläge verloren.Gegenüber Brionna hatte er sich so rüpelhaft verhalten, dass er sie wahrscheinlich für immer vertrieben hatte. Und Tamwyn, sein einziger wirklicher Angehöriger, war jetzt wahrscheinlich tot oder zwischen den Sternen verirrt.
    Und diese Leute wollen immer noch, dass ich sie führe?
, fragte er sich.
Ich – der ich nur Kummer bringe, wohin ich auch gehe?
    Wie durch Magie schienen zu den besorgten Mienen in der Menge plötzlich diese anderen Gesichter zu kommen – die denen gehörten, die er schon lange liebte und die ihn liebten. Da war Tamwyn. Brionna. Und Arc-kaya. Und der alte Zauberer, der Scree vor so langer Zeit seinen kostbaren Stab anvertraut hatte.
    Aus allen Gesichtern, den vertrauten und den neuen, sahen ihn erwartungsvolle Augen an. Hoffnungsvolle Augen. Sie wünschten sich von ihm, dass er mehr als Kummer in sein Leben, zu seinen Leuten, in seine Welt brachte.
    Immer noch überlegte Scree, was er tun sollte. Diese unglücklichen Adlermenschen sofort verlassen und nie zurückkehren? Oder hier bleiben und versuchen, sie zu führen?
    Wenn er ging, würde ihm sein Schmerz bleiben – aber er würde auch seine Freiheit haben, die er immer sehr geschätzt hatte. Doch wenn er blieb, würde er sein Bestes tun, diesen Clan und dessen Schicksal neu zu beleben. Er würde an der großen Schlacht um Avalon teilnehmen, die bald auf den Ebenen von Isenwy geschlagen würde. Und selbst wenn er in dieser Schlacht umkäme – er wüsste wenigstens, dass er einmal so hoch hinaufgestiegen war, wie er nur konnte.
    Scree holte tief Luft, legte Queens Leiche auf den Bodenund stand auf, wobei Bimsstein und schwarze Asche unter seinen Füßen knirschten. Ohne auf seine Wunden zu achten, die teils sichtbar und teils unsichtbar waren, stand er aufrecht und grimmig da, das rostrote Licht vom Himmel spiegelte sich auf seinem Gesicht. Schließlich sprach er zu der verstummten Menge.
    »Ich bin Scree«, erklärte er. Seine Stimme hallte über den feuergeschwärzten Kamm. »Und ich bin euer neuer Führer.«
    ***
    Tamwyn öffnete wieder die Augen. Über seinem Kopf blitzten die Schwingen eines Prismenvogels im Sternenlicht und malten strahlende Farbstreifen in die Wolken.
    Doch die größere Strahlkraft und der tiefere Glanz waren in dem Bild, das er noch im Kopf hatte. Das Bild von Elli, wie ihre haselnussgrünen Augen in seine schauten in der gemeinsamen Hoffnung, dass sie irgendwie die kommenden Tage überleben und zusammenstehen könnten – nicht in einem magischen Traum, sondern im wirklichen Leben.
    Er holte tief Luft, stieß sich von der hart gestampften Erde ab und stand auf. Wieder schaute er zu dem schlichten Hügel, dem Grab seines Vaters. Und zu der erloschenen Fackel, die es markierte.
    Ihm kam ein Gedanke. Er nahm seinen wieder hergestellten Dolch aus der Scheide und schnitt einen Lederstreifen von der Lasche seines Beutels. Mit der Klingenspitze ritzte er diese Worte ins Leder:
     
    Hier liegt der Körper
    meines Vaters,
    Krystallus Eopia,
    obwohl sein Geist
    stets auf Wanderschaft sein wird
    in den höchsten Bereichen
    des
    großen Baums
    von Avalon.
     
    Er legte das Leder aufs Gras, beschwerte es mit einem dicken Stein und trat zurück, um zu betrachten, was er gemacht hatte. Er nickte beifällig, dann schaute er noch einmal zur Fackel.
    Wie ein Blitz durchfuhr ihn, was er noch tun musste. Was sein Vater sich von ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher