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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re
Autoren: Anke Dietrich
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damit das kostbare Nass in den Wüstenboden sickern konnte. Er war noch nicht sehr weit gekommen, als er ein Geräusch hinter sich vernahm und sich erschrocken umdrehte.
    Ihm stockte der Atem. Im Schein des Feuers konnte er eine Gestalt auf sich zukommen sehen, die ein zweischneidiges Sichelschwert in beiden Händen hielt.
    »Was treibst du da?«, vernahm er die drohende Stimme von Prinz Merenptah, der seinen nächtlichen Rundgang gemacht hatte und dabei auf die schlafenden Wachen gestoßen war.
    Entsetzt sah Thut zum Halbbruder des Pharaos auf. Geschwind griff er dann in die Falten seines Umhangs, holte ein kleines tönernes Röhrchen hervor, das er entstöpselte, und sich den Inhalt in den Rachen laufen ließ.
    Mit wenigen Sätzen war Merenptah bei Thut und packte ihn am Handgelenk, doch es war bereits zu spät. Thut hatte das Gift schon geschluckt. Sein Körper begann sich zu verkrampfen. Weißer Schaum trat ihm vor den Mund, und mit verdrehten Augen wand er sich im Todeskampf zu Füßen des Oberst der Leibwache Seiner Majestät, bis er regungslos liegen blieb.
    Merenptah beugte sich herab und hielt sein Ohr an Mund und Nase des Mannes. Der letzte Atemzug war seinen Körper bereits entwichen.
    Er wandte sich von dem Toten ab und überprüfte, wie viele Wasserschläuche leer gelaufen waren, doch zum Glück waren es nur wenige, sodass den Mitgliedern der Expedition kein Wassermangel drohte. Trotzdem fragte er sich, wie es geschehen konnte, dass dieser Priester sie beinahe dem sicheren Tod ausgeliefert hätte.
    Er ging zurück zu den drei betäubten Wachleuten und rüttelte sie, aber die Wirkung des Mohns war stark. Also beschloss Merenptah, ein paar andere Soldaten zu wecken, die die Nachtwache für ihre außer Gefecht gesetzten Kameraden übernehmen sollten. Anschließend begab er sich zum Zelt seines Bruders, um ihm von dem Vorfall zu berichten.
    Ramses war außer sich, als er davon erfuhr. Er eilte sofort zum Proviantlager, um sich mit eigenen Augen vom Ausmaß des Schadens zu überzeugen. Neun Schläuche waren leer. Ihnen blieb noch genug Wasser, um nicht zu verdursten.
    Im Schein seiner Fackel trat er an den leblosen Körper des Priesters heran und betrachtete ihn.
    »Das ist Thut«, vernahm er hinter sich Amunhoteps Stimme, der sich ihm unbemerkt genähert hatte. »Er war Priester im Tempel des Re und diente als Schreiber im Lebenshaus von Heliopolis.«
    Überrascht drehte sich Ramses zu Amunhotep um. »Ich weiß. Kanntest du ihn?«
    »Das würde ich nicht behaupten. Er war zusammen mit Ramose bei mir in Abydos.«
    »Ramose«, sagte Ramses nachdenklich und drückte dem neben ihm stehenden Merenptah die Fackel in die Hand. »Lass den Leichnam in die Wüste bringen und ihn den wilden Tieren zum Fraß vorwerfen«, befahl er ihm. Dann eilte er zu seinem Zelt zurück und rief nach seinem Schreiber. Er diktierte ihm eine Botschaft an Nehi, die er durch einen Getreuen nach Per-Ramses bringen ließ. Dabei schärfte er dem Krieger ein, niemandem über den Vorfall der heutigen Nacht zu erzählen.
    Am nächsten Morgen war das Lager in heller Aufregung. Ramses hatte nicht verhindern können, dass die Männer von dem nächtlichen Vorfall Wind bekommen hatten und nun um ihr Leben bangten. Also trat er kurz nach der Mittagszeit vor sie hin und sagte ihnen, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gäbe. Trotzdem gärte es unter der Oberfläche weiter.
    In der darauffolgenden Nacht verschwand einer der Arbeiter. Allgemein nahm man an, dass ihn die Furcht vor dem Verdursten zur Flucht getrieben hätte, doch sowohl Ramses als auch Amunhotep betrachteten sein Verschwinden in einem völlig anderen Licht. Beide Männer zogen die Möglichkeit in Betracht, dass dieser Arbeiter mit Thut gemeinsame Sache gemacht hatte, und erneut verfasste der König eine Botschaft an den Wesir.
    »Lange machen das die Männer nicht mehr mit«, raunte Amunhotep Ramses zu, als sie alleine im Zelt des Herrschers saßen und sich einen Krug Wein schmecken ließen. »Sie nörgeln immer mehr. Über kurz oder lang werden sie dir nicht mehr gehorchen.«
    »Was?« Die Stimme des Pharaos war laut geworden. »Willst du andeuten, sie werden mir den Gehorsam verweigern?«
    »Ja«, erwiderte Amunhotep. »Ich habe den Verdacht, dass es unter den Männern Leute gibt, die die anderen aufzuwiegeln versuchen.«
    »Was veranlasst dich zu dieser Annahme?«
    »Ich habe Augen und Ohren, Ramses. Ich höre, was hinter vorgehaltener Hand geredet wird, und ich sehe die
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