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Der Wolf

Der Wolf

Titel: Der Wolf
Autoren: Erik Zimen
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Norwegen, dann auch
auf der schwedischen Seite, in Värmland, ein ganzes Rudel
von Wölfen. Offensichtlich hatte der einsame Wolf eine
Partnerin gefunden und die gemeinsamen Jungen erfolgreich aufgezogen. Wie die Paarung möglich war, weiß niemand. Das nächste Wolfsvorkommen liegt etwa 2000 Kilometer entfernt an der sowjetrussisch-finnischen Grenze,
und dazwischen erstreckt sich auch noch Saamenland, also
Feindesland. Seit über hundert Jahren hatte es zudem in
dieser Region keine Wölfe mehr gegeben, auch wenn sie
heute für Wölfe besonders geeignet erscheint. Ein Jahr zuvor hatte ich dem Naturschutzverband sogar Nordvärmland als die beste Region in ganz Schweden für eine mögliche Wiedereinbürgerung des Wolfes vorgeschlagen. Meine
Argumente waren gewesen, daß hier nur wenige Menschen
sowie keine Saamen mit ihren Rentieren leben und inzwischen wieder besonders viele Elche vorhanden sind. Und
jetzt zog es die Wölfe von selber dorthin. Es folgten aufregende Zeiten. Die Naturschützer waren freudig erregt, die
Jäger und die wenigen Kleinbauern des Gebietes hingegen
außer sich. Doch diese konnten wenig machen. Das Recht
war auf seiten der Wölfe, und die Naturschützer waren
immer zur Stelle. Jede Bewegung, jeder Riß und natürlich
auch jeder Wurf der folgenden Jahre wurde von ihnen
kontrolliert und bewacht. Als dann zuerst einer der Jungwölfe in südliche Richtung abwanderte, verfolgte die ganze
Nation am Bildschirm gespannt das Geschehen. Denn dieser Wolf lief immer weiter und erschien zuletzt nahe bei
Malmö im dichtbesiedelten Schonen, im äußersten Süden
des Landes. Einem Massenaufgebot der Polizei gelang es
schließlich, den Wolf in einem Getreidefeld einzufangen
und in seine angestammte Heimat zurückzubringen. Doch
abermals hielt es ihn nicht dort. Wieder zog er ab, diesmal bis vor die Tore Göteborgs an der Südwestküste, wo
er dann von einem Jäger erlegt wurde.
    Die Wogen der Erregung ob dieser je nach Standpunkt
frevlerischen oder richtigen Tat des Schützen gingen hoch.
Eine Nation war gespalten. Als dann aber ein Jahr später –
inzwischen war ein weiterer Jungwolf bis nach Stockholm
gelaufen, wo er von einem Auto überfahren wurde – in
Värmland die Wölfin-Mutter der ersten Würfe von einem
Jäger erschossen wurde, der zur Begründung angab, er habe
lediglich seine Schafe verteidigen wollen, war das Entsetzen
landesweit. Nur in dem betroffenen Gebiet selbst war man
anderer Meinung. Es bildeten sich zwei Vereine gegen und
ein Verein für die Wölfe. Die beiden Anti-Wolf-Vereinigungen hatten bald jeweils mehrere tausend Mitglieder, während der Pro-Wolf-Verein einen deutlich geringe ren Zulauf
verzeichnete, und zwar hauptsächlich von Leuten, die weit
weg vom Geschehen lebten. In Redeschlachten auf zahllosen Versammlungen, in nicht enden wollenden Leserbriefen in den Zeitungen äußerte sich die aufgebrachte Volksseele – und das wegen einer Handvoll Wölfe, die fernab
im Wald lebten und niemandem etwas zuleide taten. Auch
Schäden an Haustieren wurden keine gemeldet, und selbst
die paar Elche, die sie erlegten, hätten nicht der Rede wert
sein dürfen.
    Doch sie waren es. In einem Land, in dem der Wald von
den allzu vielen Elchen buchstäblich aufgefressen wird und
alljährlich hunderttausend von ihnen mit der Kugel erlegt
werden, stiftete der Umstand, daß einige wenige Elche von
Wölfen gerissen wurden, tatsächlich verbreiteten Unfrieden. Von den Wolfsgegnern wurde zwar nicht die Anzahl,
wohl aber das Leiden der gerissenen Elche als Argument zur
Verdammung der Wölfe in die Waagschale geworfen. Bei
einer öffentlichen Versammlung mußte allerdings der Vorsitzende einer Jagdorganisation, der dem Publikum zuvor in
dramatischen Worten die Brutalität der Wölfe geschildert
hatte, auf eine entsprechende Frage zugeben, daß auch er
nicht alle zweihundertneunundsiebzig (!) von ihm erlegten
Elche mit nur einem Schuß zur Strecke gebracht hatte.
    Das Ganze begann absurde Züge anzunehmen und glich
immer mehr einer unter allgemeiner Beteiligung aufgeführten Staatsoperette. Wie in Italien, wo in den letzten Jahren
ebenfalls Wölfe erneut aufgetreten sind, wurde auch hier das
Vorhandensein von Wölfen letztlich der Regierung angelastet und mit schweren Vorwürfen gekoppelt. Die Forstwirtschaft, früher der einzige Wirtschaftszweig von Bedeutung in der Region, ist weitgehend mechanisiert. Überall
fehlen Arbeitsplätze. So ziehen die Jungen weg, und nur
die Alten, die
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