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Der werfe den ersten Stein

Der werfe den ersten Stein

Titel: Der werfe den ersten Stein
Autoren: Kanger
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Nachricht. Sechs Wörter in Form einer neuen Frage.
    Was hast du heute Nacht geträumt?
    Sie schickte die Nachricht sofort los. Es war vier Minuten nach sieben.
    Vielleicht hat er sich wieder hingelegt, dachte sie. Er sollte jetzt schlafen. Du brauchst nicht nervös zu werden, wenn er nicht antwortet. Es kann dauern, Elina. Er wird antworten, ich weiß es. Er will erzählen. Ich muss ihm jetzt die Chance geben, es auf seine Art zu tun. Geduld, Elina, hab Geduld.
    Die Zeit verging langsamer denn je. Sie fühlte sich wie in den Mittelpunkt der Erde katapultiert. Dort stand die Zeit still. Dort war nur Platz für sie und Mikael.
    Sie wagte nicht, das Zimmer zu verlassen, wollte den Kontakt nicht wieder reißen lassen. Er sollte die Führung übernehmen. Sie durfte nicht zufällig auf der Toilette sein oder mit Kollegen Kaffee trinken und reden.
    Sie konnte sich auf nichts anderes konzentrieren. Kurz nach halb acht steckte Henrik Svalberg den Kopf zur Tür herein.
    »Was machst du?«, fragte er.
    »Ich warte«, sagte Elina.
    »Worauf?«
    »Auf eine Antwort.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ich verstehe, dass du es nicht verstehst.«
    »Was ist los? Was passiert?«
    »Irgendwas passiert. Vielleicht.«
    »Was sollen wir machen?«
    »Noch ein wenig warten. Halt dich in der Nähe auf, sorg dafür, dass ich dich schnell erreichen kann. Es ist wichtig, Henrik.«
    »Du weißt, was du tust?«
    »Ja, das weiß ich. Hab Geduld, Henrik. Geduld. Wie ich. Jedenfalls versuche ich, Geduld zu haben.«
    Er schüttelte leicht den Kopf und ging.
    Sie wollte es Svalberg jetzt nicht erklären. Das hätte die Spannung unterbrochen, dieser dünne Faden der Zusammen­gehörigkeit, die zwischen ihr und Mikael bestand.
    Elina saß ganz still auf dem Stuhl. Dann geschah es ganz plötzlich. Die Antwort kam wie aus dem Nirgendwo. Bevor sie seine Nachricht öffnete, sah sie auf die Uhr. Es war Punkt acht, auf die Sekunde.
    Sie beugte sich vor und las. Langsam, jedes Wort. Die Wörter wuchsen zu Sätzen zusammen und die Sätze zu einem Zusammenhang. Die letzte Zeile las sie dreimal.
    »Scheiße!«, fluchte sie laut, hob den Telefonhörer ab und drückte eine Kurzwahl ein. Niemand meldete sich.
    Die Besprechung, dachte sie. Er ist bei der Morgenbesprechung.
    Sie sprang auf. Die Tür zum Besprechungszimmer war geschlossen. Sie riss sie auf.
    »Henrik, komm schnell. Du auch, Kärnlund. Es eilt, ich mein’s ernst!«
    Sie lief zurück zu ihrem Zimmer, Henrik Svalberg dicht hinter ihr. Kärnlund trabte ihnen nach.
    »Was ist?«, fragte Svalberg, als sie ihr Zimmer erreichten.
    »Lies!«, forderte Elina ihn auf.
    Kärnlund kam gleich hinterher.
    »Lest, was auf dem Bildschirm steht. Es ist von Mikael Adolfsson.«
    Alle drei starrten auf den Text.
    Ich hab denselben Traum geträumt, den ich jede Nacht träume. Ich liege in meinem Bett und es ist dunkel. Da wird das Fenster geöffnet und er kommt langsam herein. Ich hab Angst, dass er sich rächen will und mich furchtbar schlägt. Ich versuche aufzustehen, aber die Decke wickelt sich um meine Beine. Er fällt mir entgegen, und ohne dass ich weiß, wie ich aufgestanden bin, stehe ich plötzlich hinter ihm. Und dann schlage ich ihm mit dem Kuhfuß auf den Kopf, ich schlage und schlage zu, bis er sich nicht mehr rührt und tot ist. Als ich aufwachte, war ich total verschwitzt und ich begriff, dass ich zu Ende bringen muss, was ich angefangen habe. Deswegen träume ich jede Nacht denselben Traum. Er erinnert mich daran. Jetzt nehme ich mir den Nächsten vor.
     
    »Er will noch jemanden töten«, sagte Elina.
    »Wen?«, fragte Kärnlund.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Elina. »Aber er schreibt ja, dass er es jetzt tun will. Wir müssen ihn fassen, bevor er es tut.«
    »Fahrt!«, sagte Kärnlund. »Ich werde dafür sorgen, dass eine Streife hinterherkommt.«
    »Wir fahren zu ihm nach Hause«, sagte Elina erregt.
    »Vielleicht meint er ein Familienmitglied. Vielleicht ist er noch da. Die Chance, ihn zu kriegen, ist dort am größten.«
    »Wir nehmen mein Auto«, sagte Svalberg. »Es steht auf dem Parkplatz. Das geht schneller.«
    Elina und Henrik Svalberg hasteten den Korridor entlang und die Treppen hinunter.
    »Scheiße!«, fluchte Svalberg und blieb jäh stehen.
    »Die Autoschlüssel!«
    Er kehrte um und lief zurück. Elina ging etwas langsamer zum Parkplatz. Einen Augenblick später kam Svalberg angekeucht. Bevor sie richtig im Auto saßen, fuhr der Streifenwagen schon durchs Tor des Polizeipräsidiums. Mit
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