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Der weisse Neger Wumbaba

Der weisse Neger Wumbaba

Titel: Der weisse Neger Wumbaba
Autoren: Axel Hacke , Michael Sowa
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Nebeln singen kann, mit Verlaub, jeder. Aber einen weißen Neger namens Wumbaba zu ersinnen – das ist sehr groß.
    Sehr viel später meldete sich bei mir noch Leser L. aus 12
    München, der eine münchnerisch-bayerische Version vortrug, die auf seine Enkel zurückgeht, und in der es heißt:
    »Und aus der Isar steiget
    der weiße Neger Wumbaba.«
    Das ist natürlich auch nicht zu verachten, wenngleich ich es doch schöner finde, diese sagenhaft fremd-schöne Wumbaba-Gestalt aus nebelüberhangenen Wiesen
    aufsteigen zu sehen, die sich vor einem schwarzen Walde erstrecken. Da kann die Isar nicht leicht mithalten.
    Herr Dabesin, Mutter Weinezehr, Wumbaba…
    Der Verhörende schafft sich gewissermaßen aus der
    Unverständlichkeit der Welt heraus seinen eigenen Figuren-kosmos, ein Beweis für die kindlich-dichterische Kraft, die vielen von uns innewohnt, ohne dass wir eigentlich etwas von ihr ahnen, und die uns ganz nebenbei Figuren beschert wie den unermesslich reichen niederländischen Kaufmann Ohrjens, von dem Leser J. aus Berlin berichtete.
    J. sang als Kind:
    »Schwer mit den Schätzen des Ohrjens beladen,
    Ziehet ein Schifflein am Horizont dahin.«
    Und er will bis heute nicht verstehen, dass die Schätze
    »des Orients« gemeint waren. Recht hat er!
    Aber wie tief stürzen wir, wenn wir uns von hier aus noch einmal dem Kinderlied zuwenden, jenem zum Beispiel, mit dem einst Frau L. als Kind Abend für Abend in den Schlaf gesungen wurde:
    »Guten Abend, gute Nacht,
    mit Rosen bedacht,
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    mit Näglein besteckt,
    lieg' unter der Deck.«
    Vielleicht wäre es nett gewesen, hätte damals jemand der kleinen L. erklärt, mit »Näglein« sei Flieder gemeint,
    »Braunnägelein«, wie man zu Brahms' Zeiten sagte. Sie wäre friedlicher eingeschlafen.
    Kaum hatte ich aber die Geschichte der L. veröffentlicht, meldete sich bei mir Frau E., deren Tochter sogar immer zu weinen begann, wenn man ihr dieses Guten Abend, gute Nacht vorsang. Es war aber eine andere Zeile als bei der kleinen L., welche die Tochter der Frau E. so ängstigte, dass sie immer wieder rief: »Du sollst aufhören, aufhören!«
    Die Zeile hieß:
    »Morgen früh, wenn Gott will
    wirst du wieder geweckt.«
    Als die Mutter fragte, warum denn – um Gottes willen! –
    sie aufhören solle zu singen, da stellte sich heraus, dass ihr Kind diese Passage des berühmten Lieds so verstanden hatte:
    »Morgen früh, wenn Gott will,
    wirst du wieder gewürgt.«
    Dies vor dem Hintergrund, dass die Tochter einen
    rabiaten Sandkastenkameraden hatte, der allen anderen Kindern mit Vorliebe an den Hals ging und von den
    Erwachsenen ständig gemahnt werden musste: »Hör mit dem Würgen auf!« Und sie hasste diesen Sandkasten-knaben und hasste und hasste ihn. Und doch hieß es Abend für Abend, morgen früh, »wenn Gott will«, werde sie wieder gewürgt.
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    Daran schließt sich nahtlos der Bericht von Frau F. an, die von einem Kind berichtet, das sich einmal bei ihr nach dem »Lied vom toten Hannes« erkundigte. Es stellte sich dann heraus: Gemeint war Der Hahn ist tot, was im Eltern-haus des Kindes gern und oft und immer mit viel Schwung gesungen wurde. Die Eltern sollen nicht wenig erschrocken über die Nachricht gewesen sein, dass ihr eigenes Kind ihnen zutraute, mit so viel Elan vom toten Hannes zu singen.
    Hannes hieß nämlich der Bruder des Kleinen.
    Noch nicht schrecklich genug? Für die Freunde des
    Horror-Genres hätten wir noch das geradezu einem
    Splatter-Movie entsprungene »Fräulein Leichnam« zu bieten, das lange durch die Phantasie von Frau P. geisterte: Sie schrieb, wenn sie sich als Kind habe besonders gewählt ausdrücken wollen, habe sie vom Feiertag »Fronleichnam«
    immer als »Fräulein Leichnam« gesprochen, weil sie dachte »Fron« sei nur die Verkürzung von »Froin« oder
    »Froll'n«, also eben »Fräulein« gewesen. Über die Bedeutung des einen wie des anderen sei sie sich nie im Klaren gewesen. Was den Feiertag »Fronleichnam« angeht, geht es ja bis heute vielen Erwachsenen ähnlich.
    Aber »Fräulein Leichnam«? Huuuuuh!
    Die junge Frau könnte sich den schaurigen »Mutaten«
    zum Mitternachts-Tanze zugesellen, von deren Existenz mich Herr P. aus Frankfurt unterrichtete, der als Kind oft Kein schöner Land in dieser Zeit sang. Darin heißt es:
    »Da haben wir so manche Stund',
    gesessen da in froher Rund',
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    und taten singen,
    die Lieder klingen
    im Eichengrund!«
    P. aber verstand eine ganze Kindheit lang immer nur:
    »Mutaten
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