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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
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annahm.
    »Reilly, Sir. Wenigstens soweit ich das weiß.« Er richtete sich auf, bis er ganz steif dastand. »Mir war nicht bewusst, dass das überhaupt etwas mit dem Mord an Chuttur Singh zu tun haben könnte, Sir. Ich habe Korporal Tallis oder Dhuleep Singh nach seiner Flucht nicht gesehen. Ich kann also nichts darüber sagen, was passiert ist, Sir.«
    Narraway merkte, dass er jetzt auch fröstelte. War es sinnvoll, das weiter zu verfolgen? Würde es für Tallis etwas ändern? Nicht, wenn seine Theorie stimmte. Aber je öfter er darüber nachdachte, desto gewagter kam sie ihm vor.
    »Ich möchte trotzdem wissen, wo genau Sie waren.«
    Carpenters Miene war resigniert, geschlagen. »Ich war bei Ingalls, Sir. Er war … krank.«
    »Dann hatte Major Rawlins davon gewusst«, schlussfolgerte Narraway und fragte sich, warum Rawlins das nicht erwähnt hatte. Konnte es sein, dass Rawlins Carpenters Aussage nicht kannte? Wenn man die Anspannung, die Trauer, die Wut über den Mord an Chuttur Singh, Dhuleeps Verrat der Patrouille und dann Straffords Fragen nach dem Alibi in Erwägung zog, dann war das nur schwer zu glauben.
    »Gefreiter Carpenter!«, sagte er scharf.
    »Ja, Sir?« Carpenter erstarrte.
    »›Ja, Sir, Rawlins ›wusste es‹ oder nur: ›Ja, ich höre, Sir‹«, wollte Narraway wissen.
    »Ja, Sir … ich höre, Sir. Nein, Sir, Major Rawlins wusste nichts davon. Es war … es war nicht so eine Krankheit …«
    »Wollen Sie sagen, dass er betrunken war? Warum hat er denn nicht einfach seinen Rausch ausgeschlafen wie jeder andere auch?« Narraway war verwundert, ja sogar verstört. Würde er endlich die Wahrheit über den Mord an Chuttur erfahren? »Carpenter! Sie sagen mir jetzt lieber die Wahrheit, bevor ich sie Ihnen und diesem Ingalls in ein paar Stunden vor Gericht aus der Nase ziehen muss.«
    »Ja, Sir.« Carpenter sackte zusammen, als ob er keine Kraft oder keinen Willen mehr hätte, aufrecht zu stehen.
    Narraway ergriff ihn am Arm. Er fühlte sich selbst durch die Uniform hindurch kalt an. »Also. Um Himmels willen, reißen Sie sich jetzt zusammen und setzen Sie sich. Und erzählen Sie mir, was mit Ingalls los war, und warum Sie zu ihm gegangen sind, statt einen Arzt zu holen.«
    Carpenter gab seinen Widerstand auf. Zusammen gingen sie zu einem Trümmerhaufen, der noch vom Beschuss während der Belagerung übrig geblieben war. Einige Augenblicke lang saß er nach vorne gebeugt da, ordnete seine Gedanken und fing schließlich zu sprechen an.
    »Ingalls trinkt … heftig. An dem Tag war er völlig hinüber. Jones sprang für ihn ein. Das machen wir immer so.« Er blickte Narraway nicht einmal an. »Aber dieses Mal kam Jones mit der Situation nicht klar. Ingalls ging es schlechter als sonst. Er zitterte wie Espenlaub und stöhnte. Jones konnte ihn nicht am Schreien hindern. Er schien Meilen weg zu sein, in einer anderen Welt, zurückversetzt in die Zeit direkt nach der Belagerung, als wir das erste Mal zurückkamen. Er war einer von denen, die die Lei chen im Bibighar-Brunnen gefunden hatten. Damals schwor er einen Eid, und er glaubt, dass er ihn gebrochen hat, weil er …« Er hielt inne und ließ seinen Kopf in die Hände sinken.
    »Weil er was?« Die Frage war schonungslos. Er hatte Angst vor dem, was er gleich hören würde. »Ich muss das wissen, wenn ich Tallis helfen soll«, hakte Narraway nach.
    »Er war im Delirium. Er sah alles wieder vor sich, roch das Blut, hörte die Fliegen. Tallis half ihm manchmal. Brachte ihn zum Lachen.« Er drehte sich um, damit er Narraway ins Gesicht sehen konnte. »Sie müssen Tallis helfen, Sir. Ich weiß nicht, was um alles in der Welt passiert ist, aber er kann es einfach nicht gewesen sein, es sei denn, er hatte einen so starken Grund, ich meine einen, dem er sich nicht entziehen konnte, einen, der …« Er wandte sich wieder ab und schwieg.
    »Ingalls.« Narraway half ihm wieder auf die Sprünge.
    »Der war völlig hinüber, er wollte sich umbringen. Sagte, dass er versagt habe. General Wheelers Tochter verfolge ihn. Er könne ihren Geist überall sehen.«
    »Was?« Narraway rang nach Luft. »General Wheelers Tochter? Mann, was erzählen Sie mir da? Er versagte wegen ihr? General Wheeler?« In seinem Kopf schwirrten alle möglichen verrückten Dinge herum. »Carpenter!«
    Carpenter sah ihn an.
    »Warum hat er das ausgerechnet Ihnen erzählt?«, wollte Narraway wissen.
    »Weil ich auch da war.«
    »Wo?«
    »In Bibighar. Sie war eine der Frauen, die getötet worden
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