Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
beginnen. Sie müssen sich bezüglich der Gesetzeslage sicher sein. Wir wollen nicht, dass im Nachhinein jemand behauptet, wir seien nachlässig gewesen. Das werden Sie ja wohl verstehen?«
    »Ja, Sir.« Narraway hatte den herablassenden Ton in Straffords Stimme bemerkt und hätte ihm am liebsten gesagt, dass er, genau wie alle anderen auch, sich sehr wohl darüber im Klaren war, wie ihr Vorgehen in dieser Angelegenheit bewertet würde. Mehr noch, Berichte über derartige Entscheidungen würden die Zukunft der britischen Herrschaft in Indien beeinflussen. Die Ideale des ganzen Empire basierten auf dem Glauben an Gerechtigkeit, und dass man sich an einen Ehrenkodex und an feste Regeln hielt, die niemals gebrochen werden durften.
    Tausende waren schon ums Leben gekommen, darunter auch viele Frauen und Kinder. Sollten sie jemals die Kontrolle wiederherstellen und Frieden schaffen, so könnte das nur unter einem allumfassenden Gesetz geschehen. Darin bestand die einzige Sicherheit für alle Menschen, ungeachtet ihres Glaubens oder ihrer Hautfarbe. Sollten sich Meuterei und Chaos ausbreiten, gäbe es keine Hoffnung mehr. Unter den momentanen Umständen gab es ohnehin nur noch wenig Zuversicht. Delhi war gefallen und auch Lakhnau, Agra, Jehlum, Segovli, Dinapoor, Lahore, Kolapore, Ramgarh, Peshawur. Eine endlose Reihe. Am Ende bliebe vielleicht nur ein Rest Ehre übrig.
    »Gut«, sagte Strafford kurz angebunden. »Wenn Sie so weit sind, suchen Sie mich bitte auf, um mir die Grundzüge Ihrer Verteidigungsstrategie mitzuteilen.« Er betrachtete Narraway genau. Im Schein der Öllampe leuchteten seine Augen merkwürdig hell. »Sie müssen irgendeine Art von Verteidigung vorbringen, Sie verstehen doch, oder? Sie sollten mindestens einen Grund dafür finden, warum ein Mann wie Tallis, der seine ganze Karriere lang treu gedient hatte, auf einmal seinen Kameraden in den Rücken fällt. Ich weiß, er ist zu einem Viertel Inder oder so, aber das ist keine Entschuldigung.«
    Seine angespannten Gesichtsmuskeln zuckten. »Um Gottes willen, Tausende Soldaten sind ihren Regimentern und der Krone immer noch treu und kämpfen an unserer Seite. Weitere Zehntausende gehen wie gewohnt ihren Pflichten nach. Niemand kann wissen, wie das alles ausgeht. Finden Sie heraus, was zum Teufel in den Mann gefahren ist. Drohungen, Bestechung, Trunkenheit, wie kam es dazu, dass er den Verstand verloren hat? Liefern Sie uns irgendeine Erklärung!«
    Narraway merkte, wie seine Bestürzung in Ärger umschlug. Es war schon schlimm genug, dass er dazu bestimmt worden war, die aussichtslose Verteidigung zu übernehmen, jetzt forderte Strafford auch noch eine Erklärung.
    »Sir, wenn Korporal Tallis eine Erklärung hat, werde ich sie vorbringen«, antwortete er in strengem, kontrolliertem Ton. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas sein Verhalten entschuldigen könnte, sie wird also kurz ausfallen.«
    »Eine Erklärung ist keine Entschuldigung, Leutnant«, bemerkte Strafford bissig. »Es geht darum, der Garnison hier Halt und einen Sinn zu geben in einer Umgebung des Chaos und der Gewalt. Geliebte Menschen wurden wie Tiere abgeschlachtet und die Nation ist so gut wie ruiniert.« Selbst in dem dämmrigen Licht sah man Röte in dem blassen Gesicht aufsteigen. »Sie sind hier, um dem Gesetz Genüge zu tun, sodass wir in der Geschichte nicht dastehen, als hätten wir uns und unseren Glauben an die Sache betrogen, als würden wir diesen verfluchten Kerl auch noch entschuldigen! Ich weiß, Sie sind neu hier, aber so viel Verständnis für die Situation sollten Sie dennoch haben!«
    »Strafford …«, sagte Latimer leise. Er unterbrach sie zum ersten Mal. »Wir haben dem Leutnant eine undankbare Aufgabe übertragen, und er ist sich dessen absolut bewusst. Und wenn er es noch nicht sein sollte, wird er es spätestens dann sein, wenn er die Angelegenheit etwas näher untersucht hat.« Er wandte sich erneut Narraway zu. »Leutnant, wir wissen nicht, wo wir zur Jahreswende sein werden, hier oder anderswo, belagert oder relativ frei. Diese Angelegenheit muss bis dahin geklärt sein. Die Frauen und Kinder brauchen die Weihnachtsfeierlichkeiten, seien sie auch noch so bescheiden. Wir brauchen Hoffnung, und dazu brauchen wir ein reines Gewissen. Wenn das Gefühl von unehrenhaftem Verhalten auf uns lastet, können wir weder die Geburt Christi feiern noch können wir vertrauensvoll um Seine Hilfe bitten. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Tallis’ Verteidigung so führen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher