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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle
Autoren: Kaspar Dornfeld
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verbrachte Tage und Nächte damit, durch alle Grünanlagen der Stadt zu schweben und die verschiedenen Sitzgelegenheiten zu studieren, ihre Beschaffenheit, den jeweiligen Grad an Verschmutzung und Vandalismus sowie die Frage, was für Menschen zu welcher Zeit, aus welchem Grund auf ihnen sitzen.
    Sie halten das für hirnrissig? Seien Sie mal zwanzig Jahre tot, dann unterhalten wir uns nochmal über sinnvolle Freizeitgestaltung.
    Ich hatte erst vor kurzem mit einem neuen Park angefangen, und ich war überzeugt, dass mich die große Anlage über Wochen, wenn nicht sogar Monate beschäftigen würde, doch irgendwie wollte keine Freude aufkommen. Mein Hobby langweilte mich bereits.
    Dabei hatte ich es mit einem wirklich interessanten Park zu tun. Das Spektrum der Besucher war selbst für Berliner Verhältnisse breit. Kinderreiche Familien, die mal mehr mal weniger echtes Glück ausstrahlten, frisch verliebte Paare, Spaziergänger, Nudisten, Gaukler, Dealer, Geschäftsleute in der Mittagspause, Verrückte und zwecks Lustbefriedigung in den Büschen versteckte Homosexuelle.
    Trotzdem war ich angeödet, ein sicheres Zeichen dafür, dass ich mich schnellstmöglich nach einer neuen Beschäftigung umsehen musste. Stellen Sie sich vor, Sie bestehen nur aus Gedanken, die zu einer merkwürdigen Energiestruktur verwoben sind, und dann werden Sie depressiv. Das ist wirklich hässlich!
    Die Nacht, in der die Geschichte begann, die mein Geisterleben so nachhaltig verändern sollte, hatte die ersten starken Herbstwinde mitgebracht und es drohte, empfindlich kalt zu werden.
    Es waren nur wenige Leute im Park, eigentlich nur die Schwulen. Aus dem einen Gebüsch raschelte es verstohlen, aus dem anderen kam ein unterdrücktes Keuchen. Ich habe im Übrigen nie verstanden, warum die Leute dabei so leise sind. Was nützt es, sich im öffentlichen Raum zu lieben, wenn man dabei so verkniffen vorgeht, wie ein Heranwachsender beim heimlichen Experimentieren?
    Ich wollte schon wieder los, als ich auf einer Bank zwei Männer sitzen sah, die vor sich einen nicht unbeachtlichen Zaun leerer Bierflaschen stehen hatten. Die beiden mochten um die fünfzig sein und der eine, ein recht korpulenter Mann, versuchte gerade erfolglos, aufzustehen.
    Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, wie wichtig er für mich werden würde, und es fasziniert mich noch heute, dass meine erste Erinnerung an Reemund die an einen fetten Mann ist, der zu besoffen ist, um aufzustehen.
    Er drückte sich mit den Armen nach oben, ächzend und schnaubend wie der Blasebalg einer alten Kirchenorgel — vergebens! Sein rechtes Bein rutschte nach vorn und stieß gegen eine Bierflasche. Die kam ins Schlingern, berührte die nächste und so ging es weiter, bis sie alle umgefallen waren wie Dominosteine. Er gab seine Bemühungen auf, ließ sich mit einem resignierten Seufzer zurück auf die Bank fallen und brummte:
    »Saugnäpfe! Diese Schweine!«
    Der andere, ein krankhaft hagerer Mann drehte sich zu ihm um.
    »Soll ich Ihnen hoch helfen, Chef?«
    Doch der schüttelte nur den Kopf.
    »Kapieren Sie es doch endlich! Wir sind Opfer der öffentlichen Ordnung geworden. Diese Schweine!«
    »Was soll ich kapieren?«
    »Die Bank hat Saugnäpfe. Hier gibt's bestimmt Vakuumpumpen unter der Erde. Wir kommen nicht weg.« Der Dicke hob belehrend den Zeigefinger. »Mindestens bis morgen Mittag. Verstehen Sie?«
    Der andere verstand nicht.
    »Warum sind hier nochmal Saugnäpfe in den Bänken?«
    »Damit die Penner beim Schlafen nicht runter fallen und am Morgen ehrbaren Spaziergängern im Weg rum liegen«, kam die Antwort. In einem Tonfall, als wäre sein Gesprächspartner ein kompletter Idiot.
    Es verging etwas Zeit, in der beide vielleicht über die Vergeudung von Steuergeldern nachdachten. Dann ließ sich der Hagere endlich zu einer Äußerung herab:
    »Sie sind besoffen Reemund, das ist alles.«
    »Schnauze, Wedelbeck!«
    So hießen sie also. Und der Dünne nannte den Dicken Chef . Das hat man unter klassischen Saufkumpanen eher selten. Ich nahm die beiden etwas genauer in Augenschein.
    Sie sahen eigentlich nicht wie klassische Gemeinschaftstrinker aus. Zu viele Flaschen, zu saubere, wenn auch unmodische Kleidung. Solche Leute sind meist noch nicht so weit, es zuzugeben und saufen daher allein. Seit ich das Parkbank-Hobby betrieb, war ich vielen von ihnen begegnet und die beiden hier passten nicht ins Schema. Sofort zog an mir das Bild eines kleinen fiktiven Unternehmens vorbei, dass heute
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