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Der Weg der Helden

Der Weg der Helden

Titel: Der Weg der Helden
Autoren: David A. Gemmell
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mochte.
    Er dachte über die anderen Gründe nach, während er vor der Kapitänskajüte mit diesem Wilden, Mondstein, wartete.
    » Ist beschäftigt«, erklärte der Anajo. » Wird uns bald reinrufen.«
    Questor Ro antwortete nicht. In den glorreichen Tagen des Imperiums hätte es kein Wilder gewagt, einen Avatar direkt anzusprechen. Sie hätten sich ihm auf Knien genähert und dann mit der Stirn den Boden berührt. Und jede Ansprache hätte mit den Worten Herr, höre deinen Diener begonnen. So hielt man die Disziplin aufrecht, und die unteren Klassen kannten ihren Platz in der Welt. Nach Questor Ros Meinung waren sie damals weitaus glücklicher gewesen. Denn klar definierte Verhaltensregeln waren der Grundstein jeder Zivilisation. Talaban schien nichts dergleichen zu begreifen und erlaubte den Wilden, ihn wie einen Gleichgestellten anzusprechen. Er war sogar mit diesen Barbaren gereist und hatte in ihren verwahrlosten Zelten gehaust. Questor Ro schüttelte sich unwillkürlich. Seiner Meinung nach konnte nahezu kein Zweifel daran bestehen, dass durch Talabans Adern Vagarenblut strömte. Zudem war er jung, kaum zwei Jahrhunderte alt. Er hatte noch nicht lange genug gelebt, um zu begreifen, wie notwendig es war, die Furcht unter den niederen Rassen aufrechtzuerhalten.
    Doch schließlich war schon seine Mutter für ihr unbotmäßiges Verhalten bekannt gewesen. Sie hatte sich geweigert, vor ihrem achtzigsten Jahr ein Kind zu empfangen, bis sie trotz ihrer von den Kristallen inspirierten Jugend kurz davor war, unfruchtbar zu werden. Es hatte Gerüchte gegeben, die ihren dreihundert Jahre alten Ehemann beträchtlich gedemütigt hatten. Die meisten Frauen der Avatar verloren die Fähigkeit, Kinder auszutragen, wenn sie erst die Siebzig überschritten, und nur sehr wenige Männer über zweihundert waren noch zeugungsfähig. Nein, allgemeiner Konsens war, dass sie auf einer ihrer zahllosen Reisen geschwängert worden war. Nur sehr wenige Frauen der Avatar unternahmen überhaupt irgendwelche langen Reisen, und auch dann nur, wenn es unbedingt notwendig war. Sie dagegen war ganz offensichtlich aus Vergnügen gereist und hatte die entlegensten Städte des Imperiums besucht. Questor Ro konnte sich sehr gut vorstellen, welche Vergnügungen sie unter den vulgären Rassen gefunden hatte, die diese Städte bewohnten. Kurz nach ihrer Rückkehr von einer solchen Reise jedenfalls hatte sie ihre Schwangerschaft bekanntgegeben.
    Das derzeitige Verhalten ihres Sohnes bestärkte Ros Verdacht. Talaban stand den Vagaren, die ihm dienten, viel zu nah. Er war sogar ausgesprochen beliebt bei ihnen, ein Zustand, den kein Avatar anstreben sollte. Vagaren respektierten Disziplin und reagierten am besten auf Furcht. Beliebtheit, jedenfalls soweit es Questor Ro anging, zeugte lediglich von Führungsschwäche. Es überraschte Ro, dass der Questor General diese offensichtlichen Makel in Talabans Wesen nicht erkannte. Außerdem war da noch die Tatsache, dass Talaban nie geheiratet hatte. Er näherte sich mit großen Schritten dem Alter, in dem sein Samen nicht mehr stark genug sein würde, was eine zusätzliche Beleidigung für die Rasse der Avatar war. Jeder Bürger sollte Avatar-Kinder zeugen. Welche Zukunft hatten die Avatar sonst?
    » Jetzt ist er bereit«, sagte Mondstein. Questor Ro hatte zwar nichts gehört, aber der Wilde öffnete trotzdem die Tür. Er trat zur Seite, als Questor Ro hineinging… Wenigstens etwas!, dachte Ro.
    Er betrat die Kajüte. Talaban saß an seinem Schreibtisch, erhob sich jedoch, als der Questor auf ihn zukam. Dann ging er um den Schreibtisch herum und begrüßte seinen Gast. Er bewegte sich wie die meisten Angehörigen der Kriegerkaste geschmeidig und ausbalanciert. Der Soldat überragte den untersetzten, stämmigen Questor um mehr als einen Kopf. Die beiden Männer öffneten im Stil der Avatar die Hände zum Gruß. Ro verbeugte sich, stoppte die Bewegung jedoch ein paar Zentimeter vor dem geforderten Winkel. Nicht genug, um beleidigend zu sein, doch es reichte aus, um Talaban seine Verstimmung zu signalisieren. Der Krieger ließ sich nicht anmerken, ob er diese Unhöflichkeit bemerkt hatte, sondern erwiderte die Verbeugung geschmeidig und vollendet.
    » Wie schreitet Eure Arbeit voran?«, erkundigte sich Talaban dann. Questor Ro warf einen Blick zu Mondstein, der sich neben der Tür auf den Boden gesetzt hatte.
    » Es scheint mir nicht angemessen, solche Angelegenheiten in Gegenwart von Untergebenen zu erörtern«,
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