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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Karl May
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Mantel gehüllt, auf den Boden nieder, so daß er sowohl den Weg als auch die Bucht beherrschen konnte.
    »Herr Hauptmann,« murmelte er vergnügt, »Sie vertrauen wahrhaftig den Leuten, welche immer schlafen, ein wenig zu viel. Ihnen scheint sehr daran zu liegen, daß ich ein Schläfchen mache. Gut, überzeugen Sie ich, daß ich gehorsam bin!«
    Wohl eine halbe Stunde lang blieb Pepe allein, hing seinen Gedanken nach und beobachtete die Bucht und den Hohlweg mit größter Genauigkeit. Er hatte ein Auge wie selten Einer und wußte, daß ihm nichts entgehen werde. Nach Verlauf dieser Zeit hörte er den Sand des Fußweges leise knirschen, und es erschien in dem von der Laterne ausgehenden Lichtkegel eine dunkle Gestalt, in welcher er Don Despierto erkannte. Sofort schloß er die Augen, öffnete den Mund und ließ jene Töne vernehmen, welche die Folge einer unbequemen Lage während des Schlafes sind.
    Der Hauptmann näherte sich und bog sich zu ihm hernieder.
    »Pepe!« rief er halblaut.
    Dem Miquelete fiel es gar nicht ein, zu antworten.
    »Pepe!« rief der Hauptmann zum zweiten Male, und zwar etwas lauter.
    Der Angerufene schnarchte ruhig weiter. Don Lukas war zufriedengestellt, und bald verlor sich das Geräusch seiner Schritte in der Ferne.
    »Fort!« meinte jetzt Pepe, indem er sich emporrichtete. »Ich muß mich sehr ungeschickt benehmen, wenn es mir nicht gelingt, da Etwas zu fischen, wo auch der Hauptmann sein Netz ausgeworfen hat!«
    Er kroch vorsichtig dem Rande der steilen Böschung zu, unterhalb deren der schmale Strand lag, und legte sich hier hinter dichten Grasbüscheln auf die Lauer. Statt seine Augen vergeblich anzustrengen, schloß er dieselben und konzentrirte die ganze Kraft und Schärfe seiner Sinne in dem Gehöre.
    Da drang ein schwaches Geräusch über die Oberfläche des Wassers bis zu ihm, und einige Augenblicke später unterschied er deutlich das leise Rauschen umwundener Ruder und das geschwächte Knarren der Dullen, an denen sich die Ruderstangen rieben. Ein schwarzer Punkt rang sich durch den Nebel, wurde von Sekunde zu Sekunde größer und enthüllte sich schließlich als ein Boot, dem eine weiße Schaumfurche folgte. Es hielt nach dem Ufer der Bucht und landete.
    »Sennor Despierto!« rief eine gedämpfte Stimme.
    »Hier!«
    Die Gestalt des Hauptmannes richtete sich ganz in der Nähe des Fahrzeuges vom Boden auf, wo sie bis jetzt nicht zu erkennen gewesen war.
    »Ist Alles sicher?«
    »Ja.«
    »Sind Ihr allein hier?«
    »Droben bei der Laterne liegt einer meiner Karabiniere; doch er schläft wie ein Todter. Ich muß, wenn ich mich nicht verrathen will, die Ensenada besetzen und habe dies mit einem Manne gethan, der an unheilbarer Schlafsucht leidet.«
    »Gut, hier habt Ihr die vierzig Goldstücke! Nun aber sorgt Ihr dafür, daß ich ungestört bleibe. Ihr zieht Euch in das Dorf zurück, gebt mir aber vorher ein Zeichen, daß der Mann auch wirklich schläft.«
    »Ganz wie Ihr wollt, Sennor Kapitano. Ich werde den Ruf der Möve nachahmen, wenn er noch fest schläft!«
    Pepe vernahm noch das Klingen des Goldes und zog sich dann schleunigst nach der Stelle zurück, an welcher er vorher gelegen hatte. Es verging auch keine Minute, so stand der Hauptmann wieder vor ihm.
    »Pepe!«
    Er schnarchte, rührte sich aber nicht. Don Lukas berührte seinen Arm.
    »Pepe, steh auf!«
    Der Miquelete ließ sich nicht zur geringsten Bewegung verführen, und sein Vorgesetzter entfernte sich. Als der verabredete Ruf erscholl, lag der Küstenwächter bereits wieder an der Böschung und beobachtete den Kahn. Es befanden sich nur drei Männer in demselben, von denen noch Keiner ausgestiegen war. Ihre Kleidung glich nicht derjenigen, welche Schleichhändler gewöhnlich zu tragen pflegen.
    »O,« flüsterte Pepe erstaunt, »nicht ein einziger Waarenballen ist im Boote! Sollten es etwa keine Schmuggler sein? Was hätten sie dann aber vor?«
    »Steigt aus; wir sind jetzt sicher!« ließ sich jetzt einer von den Dreien mit einer Stimme vernehmen, welcher man es anhörte, daß sie zu befehlen gewohnt sei. »Ihr geht hier am Wasser entlang und steigt in der Spalte empor, welche zum Balkon führt. Ich muß wissen, ob man noch wach ist!«
    Die beiden Männer verließen das Boot und entfernten sich. Pepe sah dabei, daß ihr Anzug dem der Korsaren glich; er hielt die Mitte zwischen der Uniform der königlichen Seeleute und dem Sans-Façon der Handelsmarine. Ihre Gesichtszüge vermochte er unter den baskischen Mützen,
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