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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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stolz.
    Wie blind bin ich eigentlich gewesen? Da habe ich ein Juwel von Freundin zu Hause, eine wunderschöne, selbstständige, sechs Jahre jüngere Frau, die Koteletts brät wie keine andere, die nie meckert, die mich innig liebt – und ich habe nichts anderes zu tun, als jedem Frauenarsch hinterherzusteigen, der meinen Weg kreuzt?
    »Jana«, sage ich. »Komm her.«
    Darauf hat sie gewartet. Ja, so macht ein Mann das. Ich drücke mein Gesicht in ihre feuchten Haare. Ich versinke in ihrem Duft. Ich schiebe meine Hände unter das Frottee des Bademantels. Ich kralle mich in ihre nackte Haut. Ich stöhne. Sie sagt nichts, sie zieht meine Hose hinunter, ich lasse mich rückwärts aufs Sofa sinken. Ein bisschen lächerlich sieht es aus, wie mein Schwanz aus der Unterhose schnellt wie ein Springteufel. Jana stürzt sich auf mich. Monatelang hat sie mir keinen mehr geblasen. Jetzt schrubbt und saugt sie an meinem Ding, als ob es ihre letzte Chance wäre. Ist es ja auch ein bisschen. Immerhin hat sich heute Abend gezeigt, wer hier der Chef ist. Ich will keine Kinder, also gibt es keine Kinder. Punkt, aus.
    Ich sehe Jana im Bademantel, vor mir auf den Knien, ihr Kopf, ihr Haar, das Muttermal auf ihrer Schulter. Eine Woge von Scham überfällt mich. Jana liebt mich. Jana gibt ihren Kinderwunsch auf, um bei mir zu sein. Sie denkt, dass ich es wert bin. Sie will keinen anderen. Und ich lasse mir einen von ihr blasen, weil ich keine andere kriegen kann. Wir haben in den letzten Monaten nur noch routinemäßig miteinander geschlafen, und jedes Mal habe ich nur an Theodora gedacht. Ich bin ein Schwein, ein Lügner, ein Egoist, und ganz nebenher mache ich dabei Janas Leben kaputt. Es wäre viel ehrlicher, einen klaren Schnitt zu machen und »Mache ich es nicht gut, Henri?« Jana schaut ängstlich zu mir auf. Mein Schwanz liegt in ihrer Hand wie eine alte Wurst. Ich wünschte, ich wäre tot oder weit weg.
    »Jana, mein Schatz«, flüstere ich. Ich ziehe sie hoch und nehme sie in die Arme. »Du machst es ganz fantastisch. Es war wunderbar. Es ist nur … ich musste an gestern denken, ich bin noch so verwirrt, da war ich auf einmal weg. Sorry.«
    »Das macht nichts«, flüstert sie zurück. Ihre Stimme ist tränendunkel.
    Auch ich muss schlucken. Dann bricht es aus mir heraus. Tränen der Rührung fließen über meine Wangen.
    »Henri, mein Schatz«, sagt sie. Wir weinen. Wir liegen uns in den Armen und heulen uns die Schultern nass. Ich weiß nicht, wie lange wir so sitzen. Hin und wieder fährt draußen ein Auto vorbei. Die Dämmerung bricht herein, eine Straßenlaterne springt an. Dann stehe ich auf. Jana will mich nicht loslassen.
    »Ganz kurz nur«, sage ich und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich habe etwas für dich.«
    Mein linkes Bein ist eingeschlafen. Ich humple durchs Halbdunkel. Als ich zurückkomme, liegt Jana auf der Bank, als schliefe sie.
    »Jana?«, frage ich. Langsam richtet sie sich auf.
    »Bitte schön«, sage ich. Sie nimmt die Karten, dann schaltet sie das Licht an.
    » Enviers des Januars …«, liest sie. »Das ist doch der neue Jaquinet?«
    Ich nicke.
    »Erst gehen wir essen«, sage ich, »beim Tauberli. Und dann ins Kino. Na?«
    Jana fällt mir um den Hals. Dann essen wir die Koteletts und trinken anderthalb Flaschen Wein dazu. Nach dem Essen nehme ich sie auf dem Esszimmerboden von hinten, wie früher. Theatralisch spritze ich über ihren Rücken. Ich komme mir dabei ein bisschen lächerlich vor, aber Jana steht drauf, oder sie will es meinetwegen. Irgendwie scheint Jana zu glauben, dass Männer nichts lieber tun als das – abspritzen auf einen Frauenrücken oder in einen Frauenmund. Vielleicht hat sie sogar recht. Ich streichle sie noch ein wenig, aber sie ist zu trocken. Immer ist sie zu trocken. Wir kuscheln uns auf dem Sofa aneinander. Jana schläft ein. Ich schaue noch einen Western. Mitten in der Nacht wache ich auf. An der Zimmerdecke sehe ich meine Zukunft. Sie ist warm und grau.

 
     
     
     
    E s liegt was in der Luft. Es ist heiß im Büro, die Klimaanlage schwächelt. Durchs Fenster sehe ich die Wolken, eine Meute dunkler Bäuche, die sich am Horizont zusammenrottet. Von solchem Drohwetter werde ich immer ganz nervös. Obendrein hat sich die Laune des Chefs übers Wochenende nicht gebessert. Auf dem Flur, wo normalerweise ausgiebig gegrüßt und getratscht wird, herrscht eine nervöse Stille. Die meisten Kollegen machen es wie ich und verstecken sich hinter den Bildschirmen in ihren
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