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Der Vormacher

Der Vormacher

Titel: Der Vormacher
Autoren: Ferdinand Decker
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Wochen drei Tage Urlaub angemeldet, und der Chef hatte es bloß vergessen. Du hättest dabei sein sollen, als ich ihm die Urlaubsliste gezeigt habe! Wenn er selbst einen Fehler macht, wird er immer besonders sauer. Theodora war richtig scharf auf das Titronal-Projekt. Jetzt hast du das erledigt, und Theodora muss sich mit dem Papierkram begnügen, den sie eh die ganze Zeit macht.«
    »Oh.«
    Linda zuckt die Schultern.
    »Geschieht ihr recht, finde ich«, sagt sie. »Sie ist immer so hochnäsig. Als ob wir nichts Interessantes zu erzählen hätten.«
    »Das ist mir noch nicht so aufgefallen«, sage ich vorsichtig.
    »Das kann ich mir denken«, sagt Linda schnippisch.
    »Ich muss los«, sage ich. »Danke für den Keks.«
    »Gehen wir noch was trinken?«, fragt sie.
    »Jetzt?«
    Sie seufzt.
    »Ich verstehe schon«, sagt sie. »Frau und Abendessen warten. Sorry. War nicht so gemeint.«
    »Schon in Ordnung.«
    »Warte, ich gehe auch nach Hause.«
    Wir gehen zusammen zum Parkplatz. Eigentlich würde ich gerne mit Linda einen trinken gehen. Alles ist besser als daheim und Janas trauriges Gesicht.
    »Wegen dem Trinkengehen –«, beginne ich.
    Linda winkt ab.
    »Lass mal«, sagt sie. »Ich hab schon begriffen.«
    Im Auto sehe ich vor mir, was nächste Woche passiert, sobald Theodora wieder zurück ist. Der Chef ruft sie ins Büro, katzenfreundlich, Linda bringt eine Tasse Kaffee. »Schön, dass Sie wieder zurück sind, Frau Zvarovska«, sagt der Chef. »Wir haben Sie sehr vermisst.« Theodora lächelt vorsichtig oder nichts ahnend, je nachdem, während der Chef sie in eine Plauderei verwickelt. Dann, ganz aus dem Nichts, schlägt er zu. »Übrigens … das Titranol-Projekt …« »Ich habe schon eine Idee!«, ruft Theodora, doch er schneidet ihr mit einer kurzen Handbewegung das Wort ab und bringt den Satz zu Ende: »… ist schon abgeschlossen.« Und fährt grinsend fort: »Es war doch dringender als gedacht. Aber Sie fühlen sich ja ohnehin mehr im Administrativen zu Hause.« Und das Dossier, mit dem er dann wedelt, die Zeichnungen, mit denen er sich an Theodora dafür rächt, dass er vergessen hat, dass sie Urlaub genommen hat, der Slogan, mit dem er sie zur Tür hinauskomplimentiert, die sind von mir. Titronal – das kannste einpacken! Unglaublich, wofür der Chef seinen besten Mann missbraucht. Und Theodora denkt sicher, dass ich ihr den Auftrag wegnehmen wollte! Ich bin ein Idiot.

 
     
     
     
    I ch hatte ein leeres Haus erwartet. Jana sitzt am Computer, ich höre sie tippen. Ich setze Teewasser auf. Das Tippen hört auf. Jana betritt die Küche.
    »Hallo, Henri.«
    »Hallo, Jana.«
    »Wegen unserem Gespräch gestern.«
    »Ja.«
    »Es ist meine Schuld«, sagt sie. »Ich hätte dich nicht so überfallen sollen.«
    Sie schaut zu, während ich den Tee aufgieße. Sie ist im Bademantel. Ihr Haar ist feucht, der Shampoogeruch steigt mir in die Nase. Früher hat mich der Geruch so aufgegeilt, dass Jana immer zweimal hintereinander duschen musste, manchmal sogar dreimal. Der Bademantel ist ein Männermodell. Janas Brüste scheinen das zu wissen. Jedenfalls drängen sie mit aller Macht ins Freie.
    »Vorsicht!«, ruft Jana. Um ein Haar hätte ich kochendes Wasser über meine Hose geschüttet.
    »Willst du auch Tee?«
    Jana nickt. Wir setzen uns zusammen ins Wohnzimmer. Ich rühre Zucker in meinen Tee. Jana pustet.
    »Ich habe mit meiner Mutter gesprochen«, beginnt Jana.
    »So«, sage ich.
    »Sie will, dass ich dich verlasse.«
    Ich sage nichts.
    »Ich bin vierunddreißig«, sagt Jana.
    »Ja.«
    »Ich will gerne ein Kind.«
    Ich nicke. Sie holt tief Luft.
    »Noch lieber«, sagt sie, »noch lieber will ich aber bei dir sein.«
    Ich muss schlucken.
    »So«, sagt sie. »Das wäre also geklärt. Lass uns nicht mehr darüber reden.«
    Sie streckt sich. Der Bademantel öffnet sich ein wenig. Mein Gott, ich hatte ganz vergessen, dass Jana Beine hat. Ganz normale Beine, keine langen, grazilen wie Theodora, sondern normal lang, normal rund, mit einem braunen Übergang, wo der Fuß anfängt, weil Jana immer barfuß im Garten herumläuft; Janabeine eben. Schöne Janabeine.
    »Jana«, sagt ich. »Es war nicht so gemeint.«
    Jana schüttelt den Kopf.
    »Lass mal«, sagt sie. »Es war mein Fehler.«
    Sie steht auf.
    »Ich geh mich mal anziehen. Und ich hab Koteletts gekauft. Hast du Lust auf Koteletts?«
    Eine rhetorische Frage. Wer einmal Janas Koteletts gegessen hat, will nie mehr etwas anderes.
    »Und Trüffeleis hinterher«, sagt Jana
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