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Der verschlossene Gedanke

Der verschlossene Gedanke

Titel: Der verschlossene Gedanke
Autoren: Nancy Salchow
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Barneys Bierscheune versuchen.“
    „ Barneys Bierscheune ?“
    „Ja, zwei Straßen weiter. Da hat sie öfter mal ausgeholfen, mir ab und zu mal ein Schälchen Kartoffelsalat mitgebracht. Ist halt ein liebes Mädel. Da hat sie auch den Typen kennen gelernt.“
    „ Welchen Typen?“
    „Na, ihren Freund. Den, den sie sitzen gelassen hat. Hören Sie mir denn nicht zu?“
    „ Doch, doch. Natürlich.“ Oskar hebt die Hand über die Augen, um die Frau besser zu erkennen. Sie scheint mehr zu wissen, als er vermutet hat.
    „ Fragen Sie Barney. Der kann Ihnen sicher sagen, wo Liliana steckt.“
    „ Liliana?“
    „ Na, das Mädel! Hören Sie mal, kennen Sie sie überhaupt?“
    „ Ich…“ Er stammelt. „Ich danke Ihnen.“
    Oskar geht zurück zu seinem Wagen, fest entschlossen, Barneys Bierscheune aufzusuchen. Endlich hat das Puzzle einen Namen. Liliana.
     
    Die Kneipe erinnert tatsächlich an eine Scheune. Auf einem rostigen Schild über der Tür heißt man willkommen in Barneys Bierscheune . Oskar betritt den Laden.
    Mit dem Windzug der Tür ergreift ihn eine neue Perspektive, ein neuer Gedanke, der nicht ihm gehört. Sie werden sie nicht identifizieren. Niemand weiß, dass sie vermisst wird. Keine Verwandten in der Stadt. Und selbst wenn. Niemand wird die Spur verfolgen können. Der Gedanke wird von einem kräftigen Zug aus einem Bierkelch begleitet. Vor ihm ein mit Erdnusskrümeln und schmierigen Glasrändern übersäter Tresen. Perspektive Barhocker.
    Unwillkürlich wandert Oskars Blick zum Tresen. Der Gedanke verlässt ihn genauso schnell wie er gekommen ist. Der Tresen ist leer. Er schaut sich um. Nur ein besetzter Tisch am Fenster. Drei Männer, die Skat spielen. Im hinteren Teil des Raumes ein Ecktisch mit einem älteren Paar.
    „ Kann ich helfen?“, fragt ein stämmiger Haarloser hinter dem Tresen, über dem fleischigen Arm ein schmuddeliges Geschirrtuch.
    „ Ein dunkles Weizen bitte.“ Oskar setzt sich auf einen der Barhocker.
    „ Gehört dir der Laden?“
    „ Wer will das wissen?“
    „ Die Nachbarin von Liliana hat gesagt …“
    „ Lilli? Weißt du, wo sie steckt?“
    Oskar horcht auf. Es scheint tatsächlich jemanden zu geben, dem ihr Verschwinden aufgefallen ist.
    „ Deshalb bin ich hier.“
    Sein Blick ist skeptisch. „Ich hab dich aber noch nie hier gesehen.“
    „ Ich bin ein Freund von Liliana.“
    „ Niemand nennt sie Liliana. Für uns ist sie Lilli.“
    „ Vielleicht nenne nur ich sie so.“
    „ Wer bist du?“ Der Haarlose zieht die Augenbrauen hoch.
    „ Oskar. Mein Name ist Oskar.“ Er streckt ihm die Hand entgegen. Sein Lächeln bleibt unerwidert.
    „ Barney“, brummt er. „Lilli arbeitet hier. Sie war ein paar Tage krank, wollte sich aber melden, wenn sie wieder fit ist, damit ich sie wieder für die Schichten einteilen kann. Ist jetzt zwei Wochen her.“
    „ Was ist mit ihrem Freund?“
    „ Kenny?“
    Oskar stellt sich wissend. „Ja, genau. Kenny. Der alte Spinner, hab ihn seit Ewigkeiten nicht gesehen.“
    „ Der war schon lange nicht mehr hier.“
    „ Und seit wann nicht mehr?“
    „ Na, lange eben. Bestimmt seit über einem Monat.“ Er stockt. „Weißt du etwa, was mit Lilli ist? Ans Telefon geht sie seit Tagen nicht. Und ne normale Erkältung kann doch unmöglich so lange dauern.“
    Oskar zuckt mit den Schultern. „Tut mir leid. Ich suche sie auch. Hätte gedacht, dass ich sie hier finde. Oder wenigstens Kenny.“
    Kenny. Seit über einem Monat nicht mehr hier gewesen. Wer war es dann, der am Tresen über den Mord nachgedacht hat? Wessen Gedanken haben Besitz von Oskar genommen, wenn nicht Kennys? Es können unmöglich Gedanken aus der fernen Vergangenheit sein, wenn sich der Täter mit Fragen zur Identifizierung der Leiche beschäftigt.
    Oskars Blick beginnt erneut, den Raum abzutasten. Die Skatspieler. Das wortkarge Paar. Der stämmige Haarlose. Niemand sonst.
    „ Und du bist dir sicher, dass Kenny seit einem Monat nicht mehr hier war?“
    „ Alter, ich bin immer hier. Und ich krieg alles mit. Wenn jemand in meinem Laden ist, dann weiß ich es auch.“
    Oskar nimmt einen Schluck von seinem Weizen. „Ich frag ja nur.“
    „ Wenn du mir nicht sagen kannst, wo Lilli ist, brauchen wir uns auch nicht weiter zu unterhalten“, antwortet er mürrisch und verschwindet im hinteren Teil des Ladens.
    Oskar schaut ihm nach. Freundlichkeit ist ein Luxus. Wissen ein noch größerer.
     
     
    ________
     
     
    „ Nur weil ich dein Lektor bin, bedeutet das nicht,
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