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Der verlorene Ursprung

Der verlorene Ursprung

Titel: Der verlorene Ursprung
Autoren: Unbekannter Autor
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jemand unser Werk zu löschen versuchte. Es würde die Stiftung jede Menge Zeit und Geld kosten, ihr ursprüngliches Erscheinungsbild wiederherzustellen. Daneben würde das Programm dafür sorgen, daß auf allen formellen Ausdrucken eine Piratenflagge mit einem Totenkopf über gekreuzten Knochen und der Satz »Keine Abgabe, keine Korsaren« auftauchten. Schließlich kopierte ich sämtliche Dokumente, die ich über diese idiotische Abgabe finden konnte, zu der die Stiftung die Software-Entwickler gezwungen hatte, und verteilte sie großzügig im Internet. Jetzt mußte ich nur noch die Seiten unserer Kampagne ins Netz stellen, auf denen zum Boykott aller Produkte der TraxSG aufgerufen wurde. Zusätzlich fand man dort Tips, wo im Ausland entsprechende Produkte zu beziehen waren. Von den Miramar-Studios aus würde die Protestaktion so lange laufen, bis das Equipment lokalisiert und abgeschaltet war.
    »Wir müssen los«, meldete Jabba mit Blick auf die Uhr. »Der Wachmann ist in drei Minuten hier auf dem Gang.«
    Ich klappte den Laptop zu, stellte ihn auf den Boden, stand auf und zog mir die Jeans zurecht. Proxi warf eine feste Plane über die Bühnenbretter, um die Ausrüstung vor neugierigen Blicken zu schützen - was nicht verhindern konnte, daß sie früher oder später gefunden würde. Ein paar Tage jedoch würde unsere Aktion ungestört laufen. Ich freute mich schon auf die Meldungen in der Presse.
    Während Proxi und Jabba unsere Sachen einsammelten, kramte ich rasch eine kleine Spraydose mit roter Farbe aus meinem Rucksack, steckte die Fatcap für kräftige und breite Linien auf, schüttelte, bis ich am metallischen Klackern hörte, daß ich loslegen konnte, und zog mit einer gesunden Portion Selbstgefälligkeit auf einer der Wände einen ausladenden Bogen. Darin unterschrieb ich in einer langen und verschlungenen Linie, die sich über die ganze Breite des Bogens zog, mit dem Namen, unter dem ich bekannt war: Root. Das war mein tag, meine persönliche Unterschrift, die man an vielen vermeintlich unzugänglichen Orten finden konnte. Diesmal hatte ich den tag nicht auf die Rechner der TraxSG kopiert - sonst hinterließ ich ihn an allen realen und virtuellen Orten, die ich enterte -, weil ich nicht alleine und nicht nur im eigenen Interesse arbeitete.
    »Los!« Mit wenigen Schritten war Jabba an der Tür des Studios.
    Wir schalteten die Taschenlampen aus und folgten schnell und lautlos den schummrigen Notausgangslämpchen durch Korridore und über Treppen hinunter in den Keller, zu dem Transformatorenkabuff, in dem die vorsintflutlichen Verteilerschränke der Studios standen. Verdeckt von unserer Höhlenforscherausrüstung, war dort eine gußeiserne Platte in den Boden eingelassen, durch die man in die Welt unter dem Asphalt von Barcelona gelangte: in das endlose Gewirr der Kanalisation, an die sämtliche Wohnhäuser, Einkaufszentren und öffentliche Gebäude der Stadt angeschlossen waren. Es erlaubte an unzähligen Punkten den Übergang in das fast hundert Kilometer lange Netz der Metro- und Eisenbahntunnel. Genau wie New York, London und Paris barg auch Barcelona eine zweite Stadt in ihren Eingeweiden. Eine Stadt, die genauso lebendig und voller Rätsel war wie die, die weiter oben von der Sonne beschienen und vom Meer umspült wurde. Diese verborgene Stadt verfügte nicht nur über eigene bewohnte Zentren, ihre eigene Flora und Fauna und eine eigene Polizeieinheit (die sogenannte »Unitat de subsol«). Sie wurde auch von zahlreichen Touristen besucht, die aus allen Teilen der Welt anreisten, um einen - selbstverständlich illegalen - Sport zu praktizieren: unterirdisches Sightseeing.
    Ich löste das Gummiband aus meinem Pferdeschwanz, setzte den Helm auf und zog den Kinnriemen stramm. An jedem unserer drei Ecrin-Roc-Helme war vorn am Clip eine LED-Stirnlampe befestigt, weil die kleinen Leuchtdioden für wesentlich helleres Licht sorgten als eine herkömmliche Lampe und bei einem Gasleck im Tunnel nicht so gefährlich waren. Brannte eine der Dioden durch, blieben immer noch genug übrig, so daß man nie vollkommen im Dunkeln stand.
    Wie ein perfekt trainierter militärischer Stoßtrupp schalteten wir die Gasdetektoren ein, hoben den Deckel mit dem Emblem der städtischen Elektrizitätswerke an und schwangen uns einer nach dem anderen in den engen, senkrecht in die Tiefe stürzenden Schacht. Er schien endlos, so daß man unwillkürlich Platzangst bekam - vor allem Jabba, der von uns dreien am meisten Raum einnahm.
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