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Der Verlobte

Der Verlobte

Titel: Der Verlobte
Autoren: Christine Sylvester
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nickte so eifrig, dass ihre großen Ohrgehänge klapperten. »Oh ja, gerne! Lasst uns pokern, Mädels!«
    Elisabeth klimperte mit ihren schwarzen Wimpern, die zu lang waren, um echt zu sein. »Wir spielen Strippoker«, sagte sie mit einem lasziven Seufzen in der Stimme. »Aber nur, wenn er mitspielt.«
    »Oh nein, meine Liebe«, entgegnete Louise. »Damit ich verliere und ihr euch über meinen dicken Hintern lustig macht!«
    »Ich finde, du hast einen tollen Hintern«, hauchte Elisabeth.
    Tante Lilo zog die aufgemalten Augenbrauen noch ein Stück höher. »So, findest du das?«, fragte sie spitz. »Aber Louise hat Recht. Keiner will unser schlaffes Fleisch sehen, Elisabeth.«
    Die Freundin grinste anzüglich. »Dann pokern wir eben um ihn.« Sie zwinkerte Tillmann zu. »Wer gewinnt, darf ihn haben!«
    Tillmann runzelte die Stirn. Er war einigermaßen entsetzt von Lillys Familie. Ob sie das immer so hielten? Nach dem Frühstück Alkohol und Poker? Aber er hatte ja die strikte Anweisung, sich nicht zu wundern, sondern mitzuspielen. Nein, er würde Lilly nicht enttäuschen. Er seufzte leise. Allerdings würde er diesen notgeilen alten Schachteln hier sicherlich nicht seinen Hintern präsentieren.
    In diesem Moment kam zum Glück Lilly mit den Getränken zurück. Ihre Mutter erhob das erstbeste Glas, das sie zu fassen bekam. »Darauf trinken wir, Kinder! Auf uns!«
    »Louise, du trinkst ja schon wieder!« Der Großvater trat hinzu und schüttelte missbilligend den Kopf. »Und Lilo, du auch! Am helllichten Tag …«
    »Na, von licht kann ja wohl keine Rede sein«, warf Lilo gut gelaunt ein und deutete mit einem Kopfnicken zum Fenster, gegen das der Regen klatschte. »Ich glaube kaum, dass es heute noch einmal hell wird.«
    Der Großvater würdigte das keiner Antwort. »Tillmann, ich werde Sie von diesen Bestien befreien und Ihnen das Haus zeigen«, sagte er stattdessen.
    Erleichtert folgte Tillmann dem alten Herrn hinaus in die Halle. Die Damen waren ihm mit ihren Anzüglichkeiten wirklich zu anstrengend. Selbst Lillys Lachen dröhnte unangenehm in seinen Ohren. Warum tat sie sich das hier an? Ob sie auch so eine frivole Seite hatte? Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass … Aber eigentlich ging ihn das ja auch gar nichts an.
    »Kommen Sie, wir gehen nach oben in mein Arbeitszimmer.« Der Großvater unterbrach Tillmanns Gedanken und ging zügigen Schrittes voran die Treppe hinauf. Er war offensichtlich in einer außerordentlich guten Verfassung für sein Alter, das auf jeden Fall jenseits der siebzig liegen musste.
    In einem großen, von unzähligen Kerzen erhellten Raum, dessen Wände fast vollständig von Buchrücken verdeckt wurden, bot er Tillmann einen Sessel an.
    »Sie müssen das Benehmen meiner Töchter entschuldigen«, sagte der Großvater und schüttelte den Kopf. »Obwohl, man kann es eigentlich nicht entschuldigen. Man kann es nur ertragen.« Er öffnete einen kostbar aussehenden Humidor. »Oder eben nicht. Sie sind in schlechte Gesellschaft geraten, weil meine Frau Ludmilla ihnen einfach zu viel durchgehen lässt.«
    Er deutete auf den Humidor. »Rauchen Sie?«
    Tillmann verneinte und beobachtete, wie der alte Herr eine lange Zigarre aus dem hölzernen Kasten nahm. Er schnupperte genießerisch daran und strich mit den Fingerspitzen darüber. »Stört es Sie, wenn ich mir eine genehmige?«
    »Aber nein.« Interessiert verfolgte Tillmann, wie Lillys Großvater die Zigarre mit einer winzigen Guillotine geradezu zärtlich anschnitt und sie – wie zur Entschuldigung – streichelte.
    »Liselotte hatte sich von Anfang an diese alberne Schauspielerei in den Kopf gesetzt«, sagte er nachdenklich. »Und gegen eine saftige Klassiker-Inszenierung ist ja auch gewiss nichts einzuwenden. Aber diese Leute! Sie glauben gar nicht, wen sie uns im Laufe der Zeit schon alles ins Haus geschleppt hat!« Er öffnete eine Schachtel mit extralangen Streichhölzern. »Sie haben Elisabeth ja selbst erlebt! Ein grauenhaftes Weibsbild!«
    Da Tillmann ihm kaum überzeugend widersprechen konnte, behielt er seine Zustimmung taktvoll für sich und schwieg.
    Der Großvater riss das lange Streichholz an und begann, die Zigarre behutsam mit der Flamme zu liebkosen. »Man muss sie anwärmen, nur ganz leicht«, erklärte er. »Und Louise … Ja, meine kleine Louise war einmal ein vielversprechendes Kind. Und dann traf sie diesen unsäglichen Fritz, diesen Emporkömmling, diesen kleinen miesen Opportunisten!« Er zündete das Ende der Zigarre
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