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Der verflixte Bahnhofsbau

Der verflixte Bahnhofsbau

Titel: Der verflixte Bahnhofsbau
Autoren: Werner Schrader
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rotblau=gelb=grüngestreiften Hemd, als ob er ein anständiger, ehrlicher Mann wäre, und ist doch niemand anders als ein finsterer Räuber mit Namen Henner Blau. Er wagt es, die Stadt zu betreten, deren Bürger auf gebrochen sind, ihn zu suchen und zu verhaften! Seine Schiebkarre hat er nicht bei sich. Er will auch keine Steine stehlen. Nein, er stapft auf das Bürgermeisteramt zu und zieht die Klingel. Natürlich kommt der Bürgermeister nicht heraus. Er sucht ja im Brakenwald nach einem gefährlichen Räuber und hat keine Zeit für Besucher. Auch Frau Bürgermeister erscheint nicht, denn sie begleitet ihren Mann mit der Bratpfanne. Jetzt wird Henner Blau bestimmt in das offene Haus gehen und alles stehlen, was nicht angenagelt ist!
    Aber nein, er läutet noch einmal und wartet artig und höflich vor der Tür. Als sich auch dann niemand meldet, marschiert er auf das
    Haus Tatta Knobels zu, wo er ebenfalls klingelt. Natürlich öffnet ihm keiner. Das Haus ist leer. Ratlos schaut Henner Blau sich um und versucht es nun beim Pfarrer und Lehrer. Aber nirgends hat er Glück. Allmählich begreift er, daß die ganze Stadt verlassen ist. Da wandert er langsam die Schulstraße hinunter, biegt in den Mückentaler Heerweg ein, stapft an der Sparkasse vorüber, ohne sich ein paar tausend Mark mitzunehmen, und steht schließlich vor dem angefangenen Bahnhof. Staunend beschaut er sich die umgestoßene Mauer, die große Unordnung überall und die Steine unter der Plane, die man ihm wieder weggenommen hat. Dann setzt er sich auf einen Steinhaufen, als ob er müde wäre, und läßt den Kopf tief in seine offenen Hände sinken. So sitzt einer, der weint oder große Sorgen hat.
    Nach einigen Minuten springt er plötzlich auf, wischt sich zweimal mit dem Ärmel des rot=blau=gelb=grüngestreiften Hemdes übers Gesicht und marschiert mit schnellen Schritten auf den Marktplatz zu. Vor dem Brunnen bleibt er stehen und beginnt laut und dröhnend zu singen, so laut, daß die Glocke in dem Kirchturm anfängt zu schwingen und leise mittönt:
     
Was ist das bloß für eine Stadt,
die selber keine Steine hat,
 um sich ein Haus zu bauen!
Warum muß man mir Räubersmann,
der sich doch keine kaufen kann,
die schwerverdienten klauen!
     
    Tatta Knobels kluger Hund aus England reibt seinen Kopf an Henners zerrissener Hose. Dann springt er hoch an ihm und leckt ihm das Gesicht ab. Das Lied hat ihm anscheinend gut gefallen. Der Räuber wartet eine Weile. Als aber nichts geschieht, wendet er sich ab und verläßt die Stadt. Ebax stolziert aufgerichtet auf zwei Beinen vor ihm her und zeigt, was er gelernt hat. Henner tätschelt ihm den Hals, nennt ihn sein gutes Tierchen und wankt wie einer, der eine Schlacht verloren hat, in das Kleine T und von dort in den Brakenbusch.
    Das geschieht gerade zur rechten Zeit, denn soeben kommen die Hasenkrüger mit Musik und Hurra von der Räuberjagd zurück. Sie haben Henner Blau nicht gefunden. Auf dem Marktplatz versammeln sie sich. Tatta Knobel ergreift das Wort und sagt: „Liebe Hasenkrüger, ich danke euch, daß ihr mir helfen wolltet, den Räuber zu fangen. Aber ihr habt selber gesehen, so einfach ist das nicht. Henner Blau ist durchtrieben und geschickt. Nur einem gutausgebildeten Polizisten wie mir wird es am Ende gelingen, ihm das Handwerk zu legen. Also nochmals vielen Dank, Leute, und seid ohne Sorge, ich werde ihn schon kriegen.“
    Nach diesen Worten zerstreuen sich die Menschen. Fetzen von Musik wehen hinter ihnen her.
    Keine zehn Minuten später wird von Haus zu Haus berichtet, daß Henner Blau in der Stadt gewesen sein muß, weil dem Bürgermeister ein ganzer Braten, dem Bäcker ein Bienenstich und ein Karton Negerküsse gestohlen worden seien.
    Am Abend treffen sich die klugen Männer beim dicken Fidi und beraten, wie es mit dem Bahnhof weitergehen soll. Jokel Vossen schlägt vor, so schnell wie möglich zu bauen, weil dann Henner Blau nicht so viele Steine stehlen könne. Darauf sagt Herr Knausi, das sei falsch, hätte man doch erlebt, daß der Räuber auch fertige Wände umstoße. Man müsse im Gegenteil sehr langsam mauern, das halte besser und könne nicht wieder zerstört werden. Da man sich nicht einigen kann, beschließt man, alles so zu lassen, wie es ist.
    Calli Zabel, der heute abend auch zwischen den klugen Männern sitzt und mehr schläft als wacht, erhält den Befehl, drei Tage und drei Nächte zu schlafen, damit er hernach tim so frischer sei und wieder gut ausgeruht seine Riesenohren
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