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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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den anderen.
    Wenn ich Ellemir und Damon damals nur hätte vertrauen können … Und durch sein Bedauern empfing er Damons Gedanken: Das war damals, dies ist jetzt. Wir alle haben uns verändert und sind gewachsen .
    Und das war für jeden von ihnen der letzte Augenblick eines eigenen Bewußtseins.
    Jetzt war der Rapport, wie es zu Mittwinter beinahe schon einmal geschehen wäre, vollständig. Keiner von ihnen wußte oder wünschte zu wissen, keiner machte auch nur den Versuch, einzelne Empfindungen zu entwirren und abzusondern. Es kam nicht mehr darauf an, wessen Schenkel sich öffneten und wen umschlossen, wessen Arme zufaßten, wer sich für einen Augenblick entfernte, nur um noch näher zu kommen, wer küßte, wessen Lippen sich dem Kuß öffneten, wer eindrang oder in wen eindrang. Eine Zeitlang war es, als ob sie alle alles berührten, jede Nähe so intensiv teilten, daß es überhaupt kein Einzelbewußtsein mehr gab.
    Callista war sich hinterher niemals sicher, ob sie an Ellemirs Erlebnis des Liebesakts teilgenommen oder ihn selbst erfahren hatte, und als sie sich einmal kurz in Rapport mit einem der Männer fallen ließ, sah und umarmte sie sich selbst – oder war es ihre Zwillingsschwester? Sie spürte einen der Männer im Orgasmus explodieren, war sich aber nicht klar darüber, ob sie daran teilgenommen hatte oder nicht. Ihr Bewußtsein hatte sich zu sehr ausgeweitet. Ihr eigener Körper, in dem Damon und Andrew und Ellemir wie festere Stellen waren, nahm den ganzen Raum des Zimmers ein und pulsierte im vielfachen Rhythmus der Erregung und Wahrnehmung. Ob sie selbst Freude erfahren oder nur die intensive Freude der anderen geteilt hatte, wußte sie nicht, und sie wollte es auch nicht wissen. Auch konnte keiner der anderen sich später erinnern, wer zuerst Callistas Körper besessen hatte. Es kam nicht darauf an; keiner von ihnen dachte darüber nach. Sie trieben dahin, sie schwammen in Ekstase, sie verschmolzen so sehr in Sinnlichkeit und leidenschaftlicher Liebe, daß diese Dinge ohne Bedeutung waren. Die Zeit war völlig aus dem Brennpunkt geraten. Scheinbar dauerte es jahrelang.
    Sehr viel später merkte Callista, daß sie halb schlief, außerordentlich zufrieden, immer noch von ihnen allen umgeben. Ellemir schlief mit dem Kopf auf Andrews Schulter. Callista fühlte sich müde, seltsam und selig. Bald ließ sie sich in Damons Bewußtsein einsinken, bald in Andrews, dann wieder tauchte sie minutenlang in Ellemirs Schlaf unter. Zwischen Vergangenheit und Zukunft treibend, sich ihres eigenen Körpers bewußt, wie sie es seit ihrer Kindheit nicht mehr gewesen war, gewann sie die Sicherheit, daß sie im Stande war, vor dem Rat zu schwören, ihre Ehe sei vollzogen worden, und dann – mit einem Widerstreben, das sie tatsächlich leise auflachen ließ –, daß sie in dieser Nacht schwanger geworden war. Im Grunde wollte sie kein Kind, nicht schon jetzt. Sie hätte gern ein bißchen Zeit gehabt, sich selbst kennen zu lernen, auf die gleiche Art zu wachsen wie Ellemir, all die neuen und noch unverstandenen Dimensionen ihres Lebens zu erforschen.
    Aber ich werde es überstehen, das tun die Frauen , dachte sie mit heimlichem Lachen, und das Lachen sprudelte zu Damon hinüber. Er faßte nach ihrer Hand und hielt sie fest.
    Den Göttern sei Dank, daß du darüber lachen kannst, Callie!
    Es ist gar nicht so, wie ich gefürchtet hatte, daß ich meine eigenen besonderen Fähigkeiten nie wieder einsetzen kann. Es ist eine Erweiterung dessen, was ich bin, keine Einengung .
    Sie ärgerte sich immer noch darüber, daß der Rat, nicht sie selbst, den Zeitpunkt für ihr Kind bestimmt hatte – das würde sie dem Rat nie verzeihen! –, aber sie sah die Notwendigkeit ein. Es würde ihr leicht gelingen, das nicht gewünschte Kind zu lieben, und sie hoffte, ihre künftige Tochter werde nicht erfahren, bis sie alt genug war, es zu verstehen, wie sehr unerwünscht sie gewesen war.
    Aber ich möchte nie wissen, wer sie gezeugt hat … Bitte, Ellie, laß es mich selbst beim Überwachen nie, nie erfahren . Und sie versprachen sich stumm, daß sie nie versuchen würden zu erforschen, ob das in dieser Nacht empfangene Kind Damons oder Andrews Tochter war. Es mochten ihnen Vermutungen kommen, aber sicher wissen würden sie es nie.
    Stundenlang lagen sie halb schlafend, ruhten sich aus, teilten den vierfachen Rapport, spürten ihn kommen und gehen. Als gegen Morgen alle anderen fest einschliefen, blieb Damon wach. Er hatte ein bißchen
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