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Der verbotene Turm

Der verbotene Turm

Titel: Der verbotene Turm
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ersten Mal, seit sie zur Bewahrerin gemacht worden war, fühlte sie sich frei. Sie berührte und wurde berührt, sie lag in seinen Armen und war es zufrieden. Und während des ganzen langen Rittes nach Armida hatte sie dort gelegen, in seinen Mantel gewickelt, erfüllt von solchem Glück, wie sie es sich nie hatte vorstellen können.
    Als Leonie das Bild in Callistas Gedanken auffing, veränderte sich das Gesicht der älteren Frau. Dann sagte sie mit sanfterer Stimme, als Callista je von ihr gehört hatte: »Ist das so, Chiya ? Dann, wenn Avarra dir gnädig ist, möge es sein, wie du wünschst. Ich hatte es nicht für möglich gehalten.«
    Und Callista empfand eine merkwürdige Unruhe. Ganz ehrlich war sie zu Leonie doch nicht gewesen. Ja, in dieser kurzen Zeitspanne hatte sie gebrannt vor Liebe, hatte sich warm, furchtlos, zufrieden gefühlt – aber dann war der alte nervöse Zwang nach und nach zurückgekommen, und jetzt fand sie es schon schwierig, seine Fingerspitzen zu berühren. Bestimmt war das nur die Gewohnheit, die jahrelange Gewohnheit, versicherte sie sich selbst. Bestimmt kam alles in Ordnung …
    Leonie fragte liebevoll: »Dann, Kind, würde es dich tatsächlich unglücklich machen, wenn du von deinem Liebhaber scheiden müßtest?«
    Callista merkte, daß sie ihre ruhige Haltung verloren hatte. Sie sagte – und sie wußte, daß ihre Stimme brach und daß die Tränen aus ihren Augen stürzten – »Ich würde nicht weiterleben wollen, Leonie.«
    »So …« Leonie sah sie mit schrecklicher, losgelöster Traurigkeit lange an. »Begreift er, wie schwer es sein wird, Kind?«
    »Ich glaube – ich bin sicher, daß ich es ihm klarmachen kann«, meinte Callista zögernd. »Er hat versprochen, so lange zu warten, wie wir müssen.«
    Leonie seufzte. Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Nun, dann, Kind … Kind, ich will nicht, daß du unglücklich wirst. Wie ich gesagt habe, der Eid einer Bewahrerin ist eine zu schwere Bürde, um ohne innere Zustimmung getragen zu werden.« Sie vollführte eine merkwürdige förmliche Geste: Sie streckte Callista ihre Handflächen entgegen, und die jüngere Frau legte die ihren dagegen. Leonie holte tief Atem. »Sei frei von deinem Eid, Callista Lanart. Vor den Göttern und vor allen Menschen erkläre ich dich für schuldlos und von der Fessel los, und dabei werde ich bleiben.«
    Langsam trennten sich ihre Hände. Callista flog an allen Gliedern. Leonie nahm ihr Taschentuch und trocknete Callistas Augen. Sie flüsterte: »Ich bete darum, daß ihr beide stark genug sein werdet.« Sie schien noch etwas sagen zu wollen, unterließ es jedoch. »Nun, ich nehme an, dein Vater wird eine ganze Menge dazu zu sagen haben, mein Liebling. Deshalb wollen wir gehen und es uns anhören.« Lächelnd setzte sie hinzu: »Und dann, wenn er es alles gesagt hat, werden wir ihm berichten, was sein wird, ob es ihm gefällt oder nicht. Hab keine Angst, mein Kind; ich fürchte mich nicht vor Esteban Lanart, und du darfst es auch nicht tun.«
     
    Andrew wartete in dem Gewächshaus, das sich hinter dem Hauptgebäude auf Armida erstreckte. Allein, wie er war, blickte er durch das dicke, wellige Glas auf die Umrisse der fernen Berge. Es war heiß hier, und es roch durchdringend nach Blättern und Erde und Pflanzen. Unter dem Licht der Sonnenkollektoren mußte er die Augen zusammenkneifen, bis er sich daran gewöhnt hatte. Er schritt durch die Reihen der Pflanzen, die feucht waren vom Bewässern, und fühlte sich isoliert und schrecklich einsam.
    Hin und wieder überkam ihn dies Gefühl. Meistens fühlte er sich hier zu Hause, mehr zu Hause als er sich je anderswo im Imperium gefühlt hatte, seit die Pferderanch in Arizona, wo er seine Kindheit verbracht hatte, Schulden halber verkauft worden und er als Zivilangestellter des Imperiums in den Raum gegangen war. Damals war er achtzehn gewesen. Nach dem Willen der Administratoren und Computer war er von Planet zu Planet geschickt worden. Und hier hatte man ihn nach den ersten paar Tagen der Fremdheit willkommen geheißen. Als man hörte, er verstehe etwas über das Einbrechen und Trainieren von Pferden, was auf Darkover ein seltenes und hoch bezahltes Fachgebiet war, hatte man ihn als einen Mann, der seinen Beruf verstand, mit Achtung behandelt. Von den Pferden auf Armida hieß es, sie seien die Besten in den Domänen, aber die Trainer holte man sich für gewöhnlich aus Dalereuth weit im Süden.
    Und so war er im Allgemeinen in den Wochen, seit er als
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