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Der verbotene Turm - 11

Der verbotene Turm - 11

Titel: Der verbotene Turm - 11
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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tte, dann w ä re er ihr nie gut aussehend vorgekommen. Vielleicht h ä tte sie ihn sogar h ä sslich gefunden. Er war ein großer, breiter Mann, hellhaarig wie ein Trockenst ä dter, unordentlich, linkisch – und trotzdem, wie lieb war er ihr geworden, wie sicher f ü hlte sie sich in seiner Gegenwart! Sie w ü nschte mit Schmerzen, dass sie sich in seine Arme werfen und sich an ihn schmiegen k ö nne, wie Ellemir es so zwanglos mit Damon tat, aber die alte Furcht l ä hmte sie. Doch sie legte ihre Fingerspitzen auf seine Lippen, was selten geschah. Er k ü sste sie, und sie l ä chelte. Sie sagte leise: Und ich liebe dich, Andrew. Falls du das vergessen haben solltest. Damit stieg sie die Treppe hinauf zu dem Zimmer, in dem Leonie auf sie wartete.
    3
    Die beiden Bewahrerinnen von Arilinn, die junge und die alte, standen sich gegen ü ber. Callista dachte ü ber Leonies Erscheinung nach. Sie war vielleicht nie sch ö n gewesen, abgesehen von den ausdrucksstarken Augen, hatte jedoch regelm ä ßige Gesichtsz ü ge voll heiterer Ruhe. Ihr K ö rper war flach und schm ä chtig, geschlechtslos wie der einer Emmasca, das Gesicht blass und leidenschaftslos, wie aus Marmor gehauen. Ein leichter Entsetzensschauer ü berrieselte Callista, als sie erkannte, dass die Gewohnheit von Jahren, die Disziplin, die bis in die Knochen gegangen war, ihren eigenen Ausdruck abschliff und sie kalt und zur ü ckhaltend machte wie Leonie. Das Gesicht der alten Bewahrerin schien ihr ein Spiegel ihres eigenen zu sein, ü ber die vielen toten Jahre hinweg, die vor ihr lagen. In einem halben Jahrhundert werde ich genau wie sie aussehen . Aber nein! Nein! Ich will nicht, ich will nicht!
    Wie alle Bewahrerinnen hatte sie gelernt, ihre eigenen Gedanken abzuschirmen. Mit seltsamer Hellsichtigkeit erfasste sie, dass Leonie von ihr erwartete, sie werde zusammenbrechen und weinen, bitten und betteln wie ein hysterisches M ä dchen. Und doch hatte Leonie selbst ihr vor Jahren mit dieser eisigen K ä lte, dieser absoluten Selbstbeherrschung die n ö tige R ü stung gegeben. Sie war Bewahrerin, in Arilinn ausgebildet; sie w ü rde sich nicht als ungeeignet erweisen. Ruhig legte sie die H ä nde in den Schoß und wartete, und schließlich musste Leonie als Erste sprechen.
    Es hat eine Zeit gegeben , sagte sie, als ein Mann, der eine Bewahrerin zu verf ü hren suchte, mit Haken zerrissen wurde, Callista.
    Das ist Jahrhunderte her , erwiderte Callista mit ebenso leidenschaftsloser Stimme wie Leonie. Außerdem hat Andrew nicht versucht, mich zu verf ü hren; er hat mir einen ehrenhaften Heiratsantrag gemacht.
    Leonie zuckte leicht die Schultern. Das ist alles eins. Sie schwieg lange Zeit. Das Schweigen wurde zu Minuten, und wieder sp ü rte Callista, dass Leonie wollte, sie solle die Beherrschung verlieren und sie anflehen. Aber Callista wartete bewegungslos, und wieder war es Leonie, die das Schweigen brechen musste.
    Das ist dann also die Art, wie du deinen Eid h ä ltst, Callista von Arilinn?
    Einen Augenblick lang schn ü rte der Schmerz Callista die Kehle zusammen. Der Titel stand nur einer Bewahrerin zu, dieser Titel, den sie um einen so schrecklichen Preis errungen hatte! Und Leonie sah so alt, so traurig, so m ü de aus!
    Leonie ist alt , sagte sie zu sich selbst. Sie m ö chte die B ü rde abwerfen, m ö chte sie in meine H ä nde geben. Ich bin seit meiner Kinderzeit so sorgf ä ltig ausgebildet worden. Leonie hat so geduldig gearbeitet und auf den Tag gewartet, an dem ich den Platz einnehmen k ö nnte, den sie f ü r mich vorbereitet hat. Was wird sie jetzt tun?
    Dann wurde der Schmerz von Zorn abgel ö st, Zorn auf Leonie, weil sie auf diese Art mit ihren Gef ü hlen spielte. Callistas Stimme klang ruhig.
    Neun Jahre lang, Leonie, habe ich die B ü rde des Bewahrerinneneides getragen. Ich bin nicht die Erste, die darum bittet, von ihm befreit zu werden, und ich werde auch nicht die Letzte sein.
    Als ich Bewahrerin wurde, Callista, war es selbstverst ä ndlich, dass die Entscheidung f ü r das ganze Leben galt. Ich habe meinen Eid mein Leben lang gehalten. Ich hatte gehofft, du seiest bereit, nicht weniger zu tun.
    Callista h ä tte gern geweint, h ä tte gern hinausgeschrieen Ich kann nicht, h ä tte Leonie gern angefleht. Sie dachte mit seltsamer Objektivit ä t, dass es besser w ä re, wenn sie es tun k ö nnte. Dann w ü rde Leonie sie f ü r ungeeignet halten und eher bereit sein, sie freizugeben. Aber man hatte sie Stolz gelehrt, und sie
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